Sonntag, 30. November 2014

Aus dem Leben eines Flüchtlingskindes: Nuri und der Geschichtenteppich


Nuri musste mit ihren Eltern aus Bagdad flüchten. Nun lebt sie seit kurzem in Deutschland und schreibt ihrer Tante, die in Bagdad zurückgeblieben ist, regelmäßig Briefe. Nuri erzählt, dass es in Deutschland kalt ist und viel regnet, dass das Brot ganz anders ist und dass die Datteln so teuer sind, dass sie sich keine leisten können. Nuri erzählt auch von der Mutter, die oft weint, von der Schule, dass die anderen Kinder ihrer Klasse sie ärgern, beschimpfen, schlagen, dass niemand neben ihr sitzen will.
Aber Nuri erzählt auch von ihrem Geschichtenteppich. Diesen bunten Teppich hat ihr Vater Nuri geschenkt und wenn sie ganz still draufsitzt, erzählt der Teppich ihr eine Geschichte. Mit Hilfe dieser fantasievollen und lustigen Geschichte schafft es Nuri, in Deutschland Fuß zu fassen und letztendlich wird sie auch in ihrer Klasse anerkannt.

Nuri und der Geschichtenteppich ist ein empfehlenswertes Buch, das ohne Sentimentalität, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken vom Leben eines entwurzelten Kindes erzählt. Auch die Illustrationen sind sehr schön, bunt und witzig. Das Buch eignet sich ungefähr für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, es regt zum Fragen und Nachdenken an, ohne zu schockieren.

PS: Nuri und der Geschichtenteppich ist auch ein „therapeutisches Buch“, denn es zeigt, wie man seine persönlichen und kulturellen Ressourcen aktivieren kann, um eine Schwierigkeit zu überwinden.

Andrea Karimé und Annette von Bodecker-Büttner: Nuri und der Geschichtenteppich, ISBN-13: 987-3-85452-889-0

Freitag, 28. November 2014

Kleider machen Lehrer

Unlängst habe ich einen Artikel über eine Schweizer Schule gelesen (s.u.), in der die LehrerInnen gemeinsam mit einem externen Berater einen verbindlichen Dresscode für die LehrerInnen entwickelt haben.
Damit  haben sie nicht ganz unrecht - ich selbst hatte vor einigen Wochen das Vergnügen, längere Zeit vor einem Konferenzzimmer zu warten und konnte so die modischen Vorlieben der LehrerInnen studieren. Was ich gesehen habe? Ich würde mal sagen, eine große Bandbreite an mehr oder weniger passenden Outfits...
Ich habe dann auch meinen 14jährigen Sohn befragt (er ist ja jeden Tag mindestens 6 Stunden dort) und er meinte: "Naja, ein kurzes enges Kleid ist wohl nicht so passend, wenn man unterrichtet. Und einige Lehrerinnen haben immer so kurze Röcke an ... das ist auch irgendwie komisch."

Also ist der Dresscode vielleicht gar keine soooo schlechte Idee (obwohl ich persönlich nicht verstehe, warum Lehrer keine T-Shirts mit Aufdruck tragen sollen - so lang nicht "I hate school" draufsteht...)

Der "Dresscode für LehrerInnen"

Mittwoch, 26. November 2014

Schreiben mit der Hand? Wie ging das?!



Das geht nicht am Computer ;-)

Keine Frage, im Alltag wird das Schreiben mit der Hand immer seltener gebraucht. Es ist anzunehmen, dass dadurch etwas verloren geht. Denn wenn wir etwas mit der Hand schreiben, "muss es quasi durch unseren Körper", es muss durch unser Hirn, durch unsere Finger, damit es am Papier sichtbar Form annehmen kann.
Das so Geschriebene ist so gut wie überall verfügbar, und es ist ohne technische Hilfsmittel lesbar (es sei denn, eine Lesebrille zählt als Hilfsmittel.)
Das Schreiben auf einer Tastatur funktioniert anders, da ja unsere Finger nicht direkt die Buchstaben und Wörter formen... Und was "elektronisch" geschrieben wird, ist eben nicht ohne Hilfsmittel verfügbar (es sei dann, man druckt es aus). Dafür kann es leicht vervielfältigt und verbreitet werden - per Knopfdruck in die ganze Welt. Auch übersetzen lassen kann man Texte, die man getipppt hat, in Sekundenschnelle.
Was besser ist? Keine Ahnung, das wird sich zeigen, oder auch nicht. Vielleicht ist Schreiben am Computer ja einfach nur anders. Für die heutige Generation ist es ja auch völlig normal, ihr Tagebuch zu tippen - was mir schwerfallen würde.
Ich persönlich werde mir das "mit der Hand schreiben" nicht ganz abgewöhnen lassen, denn ich bin ein Fan von schönen Stiften, Tinte, Feder und anderen Schreibutensilien ;-).

Link zu einem Artikel aus "Die Presse"

Dienstag, 18. November 2014

Die traute Familie

Da schreibt Regine Schneider in ihrem Buch "Die kleinen Bosse. Wenn der Nachwuchs die Führung übernimmt" mehrmals, dass Konflikte zum Familienleben gehören, und dass sich Mütter kein schlechtes Gewissen einreden lassen sollen, wenn in ihrer Familie nicht immer alles glatt läuft.
Und dann dieser Satz aus dem Leben einer Familie, wo beide Eltern arbeiten: "Und wenn sich abends alle wieder treffen, berichtet jeder von den Abenteuern, die er allein am Tag gemeistert hat - die Kinder, die Mütter und die Väter." (S. 138)
Herzlich willkommen in der trauten Familie!
Keine Frage, es gibt Tage, wo alles glatt läuft und tatsächlich am Abend alle zufrieden und glücklich um den Tisch sitzen und ihre Erlebnisse austauschen. Genauso wie in der Werbung ;-). Es gibt aber auch die anderen Tage, wo alle müde und grantig sind und das gemeinsame Essen entweder ausfällt oder wo das Gespräch zum Streit ausartet.
Ich wage zu behaupten, dass es beide Varianten sowohl bei berufstätigen Mütter als auch bei "Vollzeitmüttern" gibt. Berufstätigkeit der Mutter als Allheilmittel gegen jeglichen Konflikt hinzustellen, ist Blödsinn. Und ständig zu weiderholen, wie wichtig die Berufstätigkeit der Mutter für die Kinder ist, erzeugt nur einen anderen "Muttermythos", der nicht weniger schädlich ist als der Mythos von der "umsorgenden Vollzeitmutter".
Wieso ist es so schwer zu verstehen, dass es keine Standardlösung gibt, sondern dass jede/r die Aufgabe hat, seinen/ ihren eigenen Weg zu finden?

Montag, 17. November 2014

„Die kleinen Bosse. Wenn der Nachwuchs die Führung übernimmt.“ von Regine Schneider


Absolut verzichtbar, dieses Buch!
Um dem Titel gerecht zu werden, erzählt es viele Episoden, in welchen immer schlimme und „böse“ Kinder im Mittelpunkt stehen: Die Kinder sind trotzig, bockig, frech, unordentlich, undankbar, „ungezügelt“, „unerziehbar“, biestig, verschlagen – ganz einfach SCHLIMM UND BÖSE.

Nun habe ich in meinem Leben mit Kindern viele ähnliche Situationen erlebt und will gar nicht bestreiten, dass alles, was die Autorin geschildert hat, wahr ist. (Und es ist gut, wenn man das als Kontrastprogramm zu den vielen Vorzeigefamilien mal schreibt).

Aber es ist nicht die ganze Wahrheit: Neben den vielen anstrengenden Augenblicke gibt es nämlich viele schöne, freudige, erfüllende Augenblicke. Und diese werden mit keinem einzigen Wort erwähnt.

Ideen, wie man mit den „bösen Kindern“ umgehen könnte, hat die Autorin keine. Außer dem Rat, dass alle Frauen berufstätig sein sollen. Was dann naturgemäß dazuführt, dass sie sich nicht mit den „bockigen“ Kindern auseinandersetzen müssen. An der grundlegenden Situation ändert es gar nichts.

Das ist nämlich der zweite rote Faden des Buches: „Vollmuttis“ schaden ihren Kindern und daher müssen alle Mütter arbeiten gehen. Ich bin die letzte, die einer Mutter ein schlechtes Gewissen macht, weil sie trotz Kindern arbeiten geht, aber ich mache auch den „Vollzeitmüttern“ kein schlechtes Gewissen. Die Autorin tut es und spielt die beiden Gruppe gnadenlos gegeneinander aus. (Die „Vollmuttis“ sind übrigens immer ungepflegt und pummelig und verwöhnen ihre Kinder maßlos.)

Einzig sinnvoll ist die Aussage, dass nur eine „zufriedene und glückliche Mutter ihre Familie zufrieden und glücklich machen kann.“ Doch dass dieser Zustand auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, soweit denkt die Autorin nicht. Sie setzt ständig "berufstätige Mutter" mit "glücklicher Familie" gleich.

Manche Kinder brüllen tatsächlich nur 5 Minuten, wenn sie in Fremdbetreuung gegeben werden, und andere weinen den ganzen Tag, manche Väter helfen im Haushalt und andere nicht, manche Mütter bekommen trotz Kindern wieder einen guten Job und andere nicht, manche Mütter sind ohne Job froh und glücklich und andere nicht. Wieso kann man nicht jeder Frau, jedem Mann, jedem Kind seinen eigenen Weg lassen? Menschen sind verschieden, wieso sollen sie nach dem gleichen Rezept glücklich werden?

Freitag, 14. November 2014

Armut in Österreich

Ende Oktober 2014 hat die Statistik Austria die aktuellen Daten zur Armut(sgefährdung) in Österreich veröffentlicht. Demnach galten im Jahr 2013 in unserem Land 1.572.000 Menschen oder 18,8% der Bevölkerung als arm bzw. armutsgfährdet (auf der Grundlage von 3 Indikatoren z.B. einem Einkommensgrenzwert von 1.104 Euro pro Monat für Alleinlebende, plus 331 Euro pro Monat für jedes Kind unter 14 Jahren und 552 Euro pro Monat für jeden weiteren Erwachsenen.)
In der EU waren es unvorstellbare 120 Mio. Menschen. EU-Ziel ist es, diese Zahl bis 2020 um 20 Mio. zu verringern. Was wohl bedeutet, dass 100 Mio. Menschen weiterhin arm bleiben werden.

Schaut man sich die Zahlen für Österreich näher an, fällt auf:
* Ein-Eltern-Haushalte haben ein Armutsrisiko von 40% (Der Durchschnitt in der Bevölkerung liegt bei 19%).
* 18% aller Kinder unter 19 Jahren sind armutsgefährdet.
* Familien mit 3 oder mehr Kindern haben eine erhöhte Armutsgefährdung.
* Man sieht auch, dass Frauen (im Alter) häufiger armutsgefährdet sind als gleichaltrige Männer. Das erscheint mir ganz logisch: Denn immer noch sind es fast ausschließlich Frauen, die bei Babys und Kleinkindern zuhause bleiben. Und in Folge sind es die Frauen, die keinen Job mehr bekommen, weil sie 1, 2,3 oder mehr Kinder haben. Und letztendlich sind es auch die Mütter, die bei einer Scheidung „auf die Nase fallen“ - und mit einer niedrigen Pension dastehen.

Vor diesem Hintergrund wäre ein Müttereinkommen sicher eine gute Idee, denn die Anrechnung von Zeiten der Kinderbetreuung zur Pension ist sicher zu wenig.

nachzulesen unter: www.statistik.at/web_de/presse/079201

Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe (A.J. Betts)

Zac und Mia treffen einander im Krankenhaus, auf der Onkologie. Beide wurden von ihrer Krankheit aus ihrem normalen Teenagerleben gerissen und beide suchen nach einem Weg, irgendwie mit der Krankheit zurecht zu kommen.

Ob es Liebe ist, was sie verbindet? Auf jeden Fall ist es nicht kitschig und nicht sentimental.
Ein Buch vom Geben und Nehmen und von der Schwierigkeit, jung und krank zu sein.
Happy end? So wie im richtigen Leben – ungewiss.

Donnerstag, 13. November 2014

Beim Leben meiner Schwester

Ein unglaublicher trauriger Film um eine Familie mit einem Kind, das an einer seltenen Form von Leukämie leidet. Um dieses Kind zu retten, entschließen sich die Eltern, ein weiteres Kind zu bekommen – und zwar ein Kind, das in der Retorte gezeugt wurde und als optimaler Knochenmarkspender „dienen“ soll.
Doch als Anne ihrer Schwester eine Niere spenden soll, weigert sich die Elfjährige und nimmt sich sogar einen Anwalt, um ihr Recht auf medizinische Selbstbestimmung durchzusetzen.
Vor Gericht klärt sich das Drama auf – und es war für mich sehr berührend zu sehen, wie sehr Geschwister zusammenhalten, notfalls auch gegen die eigenen Eltern.
So bleibt der Film zwar traurig, ist aber nicht hoffnungslos, denn zeigt, dass es eine Kraft gibt, die über den Tod hinausgeht, und zeigt, wieweit Geschwisterliebe tragen kann.

Dienstag, 11. November 2014

Hochbegabter 14jähriger an der Uni - na und?

Ein 14jähriger beginnt ein Chemiestudium. Na und? Wieso kann man ihn nicht einfach in Ruhe lassen? 
Ich finde ja vor allem die Kommentare interessant, deshalb hier einige sinngemäß: „Selbst wenn er glücklich ist, hat er keine unbeschwerte Kindheit.“ Was ist denn das für eine blöde Aussage? Wie anmaßend ist es, sich aus der Ferne ein Urteil über das Seelenleben eines anderen Menschen zu erlauben? Und noch dazu dessen Empfindungen anzuzweifeln? Was ist denn eine unbeschwerte Kindheit wenn nicht eine "glückliche Kindheit"?

Und dann kommen – wie das Amen im Gebet – Aussagen wie diese: „Sie sind ja nur neidisch, weil Sie selbst/ Ihre Kinder nicht hochbegabt sind.“ Hat sich denn immer noch nicht herumgesprochen, dass Hochbegabung das Leben nicht automatisch einfacher macht?

Krass fand ich auch: „Das sollte nicht erlaubt, man sollte erst mit 17 Jahren studieren dürfen – denn wie kommen sich dann die anderen Studenten vor, wenn sie von einem 14jährigen überholt werden?“ Ist schon schlimm, wenn die anderen besser sind! Muss man mal aushalten lernen.


Dass dieser junge Mann ein anderes Studentenleben führen wird als seine Kommilitonen, ist klar. Aber er hat auch bis jetzt ein anderes Leben geführt als andere Kinder, und sein weiterer Lebensweg wird mit großer Wahrscheinlichkeit vom „normalen“ abweichen. Na und? Bei Sportlern, Musikern und anderen Künstlern ist das genau so. Und da regt sich keiner auf.



Freitag, 7. November 2014

"Vogelstraußpolitik" - uns betrifft es eh nicht mehr...

Es liegt auf der Hand, dass der Klimawandel Folgen haben wird - und wenn man den wissenschaftlichen Untersuchungen traut, dann dürften diese Folgen unangenehm werden. Z.B. ist vorherzusehen, dass Knappheit an Nahrungsmitteln zu politischen Unruhen führen wird.

Aber anscheinend denken viele Erwachsene heute:  "Mich betrifft es eh nicht mehr. Bis die Menschheit die Folgen ernsthaft zu spüren bekommen, bin ich längst tot." Tolle Einstellung - hinter mir die Sintflut.

Ich persönlich wünsche mir, dass auch meine Kinder (und ihre Kinder und ihre Kinder...) in einer lebenswerten Welt leben können! Darum würde ich mich freuen, wenn  jede/r überlegt, was er/sie zum Klimaschutz beitragen könnte. Ich weiß, es sind nur winzige Tröpfchen - machen sollte man es trotzdem. Schon allein dewegen, damit man später seinen Kindern und Enkelkindern nicht gestehen muss, dass man NICHTS GETAN hat.

Zwei Links zum Nachlesen, leider schlechte Nachrichten:
Klimawandel gefaehrlich oder harmlos?
Klimapolitik der USA

Im Gymnasium sind Kinder, die da nicht hingehören und andere plakative Aussagen


Hin- und Hergerissen wurde ich beim Lesen des Artikels «In Schweizer Gymnasien sind Kinder, die dort nicht hingehören» der Intelligenzforscherin Elsbeth Stern.
Schon den Titel ist plakativ und reißerisch, aber sowohl in der Schweiz, wie auch in Österreich und Deutschland wird es so sein, dass „sozial gut gestellte Eltern“ alles daran setzen, ihre Kinder ins Gymnasium zu schicken und diese Kinder durch Gymnasium zu bringen. Ob das sinnvoll ist, kann ich nicht beurteilen, aber die Eltern werden wohl mit dem Gymnasium „bessere Chancen im (Berufs-) Leben“ verbinden.
Auf der anderen Seite werden Kinder „sozial schwacher Eltern“ seltener das Gymnasium besuchen, obwohl sie dazu geeignet wären. Hier geht viel Potential verloren, und junge Menschen werden um ihre Chancen und Möglichkeiten gebracht.

Im weiteren Verlauf fallen weitere plakative Aussagen:

* „Ein bisschen Frühenglisch bringt nichts.“ JA, sehe ich auch so. So viel ich weiß, gibt es keine einzige Studie die einen positiven Zusammenhang zwischen Englischkursen für Kleinkinder und den späteren Englischnoten/ Kenntnissen gefunden hat.
Ballett, Musikunterricht, Babyschwimmen und was da sonst noch alles angeboten wird, sollte aber nicht unter dem Aspekt der Frühförderung betrieben werden (also mit dem Hintergedanken, dass es das Kind später leichter hat) sondern aus Freude an der Sache und als Bereicherung.

* „Ein Drittel der Kinder im Gymnasium lag unter dem IQ von 112,6.“ Und das wäre laut Stern schlecht. Da kann ich nur sagen: Aha. Wieso denn gerade 112,6? Weil die 20% der besten Ergebnisse in IQ-Tests über diesem Wert liegen. Aus einem Grund, den ich nicht nachvollziehen kann, sollen laut Stern nur 20% der Kinder aufs Gymnasium.

* Oder zum Einfluss der Gene auf die Intelligenz: „Bei der Vererbung werden die «Karten» immer wieder von Generation zu Generation neu gemischt. So können hochintelligente Eltern durchschnittlich intelligente Kinder haben und hochbegabte Kinder aus Familien kommen, in denen bisher niemand durch übermäßige geistige Gaben aufgefallen ist. Eine gute soziale Herkunft bedeutet nicht automatisch, dass man Intelligenz mitbringt.“
Stimmt – (hoch)begabte Kinder können in jedes soziale Milieu hineingeboren werden. Aber: Da sich Intelligenz auch nicht unabhängig von der Umwelt entwickelt, haben Kinder mit „guter sozialer Herkunft“ bessere Chancen, ihre angeborene Intelligenz bestmöglich zu entwickeln. Begabung braucht Förderung und Forderung, um in (Best-)Leistungen umgesetzt zu werden. Dass hier noch viele Versäumnisse passieren, ist klar.

* „Und hochbegabt sind auch nur 2%.“ Ja. Na und?

* „Man kann zum Beispiel auch Gedächtnis­weltmeister für Zahlen werden und sich auf Zuruf 100 Zahlen merken. Dafür gibt es Tricks mit Bildern: Die 1 ist ein Stock, die 7 ein Zwerg, die 0 ein Ei. Danach setzt man sich die Zahlen und Bilder zusammen. Dafür braucht es viel Zeit und Training. Wer dies macht, ist dadurch aber nicht automatisch gut auch im ­Vokabellernen.“ 
Behauptet ja keiner. Außerdem gibt es genug (Hoch-)Begabte, die nicht gut Kopfrechnen können, sich Vokabel schlecht merken und auch keine Gedächtniskünstler sind.
Oder soll das heißen, dass man zwischen Intelligenz und Training unterscheiden muss? Dann hat Stern recht – jedoch: Ohne Übung, ohne Training verkümmert die Intelligenz. (Hoch-)Begabung heißt daher nicht, dass man NICHT üben muss!

* „Die Schüler sollten die Zeit dort (gemeint ist: in der Grundschule) intensiv nutzen und nicht verplempern. Schule ist zum Lernen da und nicht zum Herumhängen.“
Ja. Nein. Naja. Natürlich sollte die Zeit in der Schule primär zum Lernen genützt werden – doch sieht Lernen nicht immer wie lernen aus. Auch zeichnen, Sport, Musik, soziales Lernen müssen Platz in der Schule haben, selbst wenn sie von manchen Menschen für ineffektiv gehalten werden. Laut Stern bringt Naturwissenschaft an den Grundschulen „anstatt die Kinder schwarze Löcher mit Knete basteln oder Pirat spielen zu lassen.“ Nicht unbedingt. Da nicht alle Kinder gleich sind, kommt es auf die richtige Mischung an, dann wird für jedes Kind etwas Interessantes und Forderndes dabei sein.

* „Der Inhalt und die Vermittlung von Wissen ist das Wesentliche.“ 
NEIN! Denn wenn das so wäre, könnten wir ja den Frontalunterricht wieder einführen und den SchülerInnen das Wissen quasi wieder eintrichtern. Oder noch besser: Wir setzen sie vor einen Computer, der diese Aufgabe übernimmt.
Für mich ist das Wichtigste: Selber denken lernen, damit man mit dem gelernten Wissen auch was anfangen kann und es später selbstständig erweitern kann.

Und hier noch der Link für alle die, die es nachlesen wollen: http://www.tagesanzeiger.ch/leben/bildung/In-Schweizer-Gymnasien-sind-Kinder-die-dort-nicht-hingehoeren/story/16462778

Mittwoch, 5. November 2014

"Running man" - Jugendbuch



Letzte Woche habe ich das Buch „Running man“ von Michael Gerard Bauer gelesen, das dürfte das erste Buch eines australischen Autors gewesen sein, das ich gelesen habe.

Obwohl es mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde (Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2008; nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2008; auf der Liste der ›Besten 7 Bücher für junge Leser‹ ), hat es mir nicht besonders gefallen. Die Personen und die Handlungen waren mir zu plakativ, zu platt, zu eindimensional und die Handlung war für mich von den ersten Seiten an vorhersehbar. Auch wenn es ein Kinder- oder eher ein Jugendbuch sein soll, muss man ja nicht alles dermaßen vereinfachen und derart eindimensional machen. Für mich verliert das Buch dadurch an Glaubwürdigkeit … aber das liegt vielleicht daran, dass ich erwachsen bin.


Trotzdem hat es sich gelohnt, das Buch zu lesen – es hat mich nämlich zu diesem Bild inspiriert.

Montag, 3. November 2014

Die Studenten von heute … sind die Entscheidungsträger von morgen

Natürlich soll und darf man kein pauschales Urteil über eine ganze Gruppe fällen. Trotzdem sind die Ergebnisse einer bislang unveröffentlichten Studie, die letztes Jahr von der Deutschen Bundesregierung beauftragt wurde, ernüchternd:
Bei den befragten Studenten hat „Sich schöne Dinge leisten zu können“ massiv an Wichtigkeit gewonnen. Im Jahr 1995 stimmten 31% zu, 2013 waren es 73%. Parallel dazu sank das politische Interesse, d.h. das Klischee von den politisch mehr oder weniger weit links engagierten Studenten ist Geschichte. Nur 45% der heutigen Studenten interessieren sich stark oder sehr stark für Politik. Auch die Grünen, die „seinerseits“ hoch in der Gunst der Studenten standen, haben ihre Pole-Position eingebüßt. Bedenkt man, dass das politische Interesse oft im Laufe des Lebens abnimmt, bleibt wenig übrig...

Irgendwie macht es Angst, hier sehr selbstbezogene Menschen heranwachsen zu sehen (natürlich sind nicht alle so, aber viele) – denn die Studenten von heute werden morgen die Entscheidungen treffen. Wenn berufliches Weiterkommen und materieller Erfolg die einzigen Ziele sind, dürfte wenig Zeit für Engagement für andere und Solidarität mit den Schwächeren bleiben.

Andererseits ist es nicht verwunderlich, dass die jungen Menschen so sind wie sie sind: Sie wachsen in einer konsumorientierten (konsumgeilen) Gesellschaft auf und seit einigen Jahren haben sich auch Schul- und Hochschulsystem dem Diktat der Wirtschaft gebeugt: Ausgebildet wird so, dass es der Wirtschaft nützt. Zum Denken bleibt keine Zeit. Kritische Stimmen sind eh nicht erwünscht.
Aber: Visionen und Lösungen für eine bessere Welt dürfen wir von den so erzogenen Menschen leider nicht erwarten.

PS: Irgendwie macht es mir Angst, dass es wohl die heutigen Studenten sein müssen, die im Klimawandel die „Trendumkehr“ herbeiführen müssen. Ob das zu schaffen ist, wenn jede/r nur auf sich schaut?

PPS: Hier gibt es einen  Auszug aus der Studie; wer Spiegel liest, erfährt mehr.

Sonntag, 2. November 2014

Generation Y


Die Augustausgabe von Psychologie Heute resümiert zwei Bücher (s.u.) über die Generation Y. Damit sind die Menschen gemeint, die nach 1980 bzw. 1985 geboren wurden, also mit allen „Segnungen“ der modernen (digitalen) Technik aufgewachsen sind. Warum sie Generation Y heißen? Y wir als Why? ausgesprochen und bedeutet dann „warum?“ - das verweist auf das kritische Hinterfragen, das für diese Generation typisch sein soll. (Habe ich selber noch nicht beobachtet...) Die Generation davor heißt übrigens Generation X, alle ab 1999 Geborenen Generation Z.

Obwohl die Fortschritte – allem voran die Gleichberechtigung der Frau bzw. die vielfältigen Möglichkeiten, die Frauen heute haben, aber auch die Wichtigkeit von Familie und Freizeit – durchaus gewürdigt werden, kommt die Autorin zu folgendem Schluss: „Sie gehen, wenn es ihnen nicht passt. Sie kämpfen nicht, weil sie dazu keine Lust haben. Sie wollen Spaß, was sich die andern wünschen, ist egal. Eine Grundhaltung, die womöglich nicht nur auf die Arbeitswelt begrenzt ist, sondern auch im Privatleben ausgelebt wird. Dieser Gedanke drängt sich mir zumindest immer wieder beim Lesen auf – und lässt mich frösteln.“

Diese Grundeinstellung lässt auch mich frösteln, wenn nicht sogar schlimmer … Denn für mich klingt das ziemlich egoistisch: „Hauptsache, mir passt es. Alle anderen und alles andere ist mir egal. Und wenn das wem nicht passt, kann er/sie ja gehen.“

Ohne hier jemanden beleidigen zu wollen, klingt das für mich sehr nach der Weltsicht eines Kleinkindes: Kleine Kinder sehen sich als Mittelpunkt ihrer Welt und sie stinkesauer, wenn die anderen da nicht mitmachen. Beleidigt sein und Wutanfall kommen zur Verteidigung der kindlichen Weltsicht zum Einsatz. Nur galt es bislang als Entwicklungsaufgabe, diese Weltsicht zugunsten einer anderen, „erwachsenen“ Weltsicht aufzugeben. Wobei sich die reifere Weltsicht dadurch auszeichnete, dass sie auf anderen Menschen Rücksicht nehmen kann, Frustrationen aushalten kann und zugunsten langfristiger Ziele auf kurzfristige „Annehmlichkeiten“ verzichten kann.

Sollte das nun nicht mehr gelten?



PS: Philosophischer gesehen stellt sich die Frage, inwieweit individuelles Glück machbar ist, ohne sich als Teil einer größeren Gruppe zu verstehen. Oder zugespitzter formuliert: Kann man glücklich sein, wenn rundherum die Welt in Brüche geht?



Kerstin Bund: Glück schlägt Geld. Generation Y: Was wir wirklich wollen. Murmann, Hamburg, 2014.

Ursula Kosser: Ohne uns. Die Generation Y und ihre Absage an das Leistungsdenken. DuMont, Köln, 2014.