Freitag, 28. Oktober 2016

Über Hochbegabung reden bzw. schreiben

Ein Interview mit Tanja Baudson, die auf scilogs über Hochbegabung bloggt.

Interessant daran ist, dass es hier einmal nicht über die Hochebgabung an sich geht (der Titel "Jeder Hochbegabte ist anders" ist irreführend) sondern darüber, wie und warum man über Hochbegabung sprechen, schreibe, kommunizieren soll. Mein Lieblingssatz in diesem Zusammenhang: "Was das Thema des Blogs betrifft, sehe ich das Problem, dass diejenigen, die wirklich Ahnung von der Materie haben, sich zu selten öffentlich äußern (einige wenige tun das häufig, aber das sind, wie gesagt, nur einige wenige); das eröffnet denjenigen mit einem soliden Halbwissen natürlich einen großen Spielraum. Über das Thema Hochbegabung wird leider nach wie vor noch viel Unhaltbares publiziert."

Zum Lesen und Stöbern hier das Interview und der Blog.

Montag, 24. Oktober 2016

"Medienmündig" von Paula Bleckmann



Paula Bleckmann: Medienmündig.
ISBN: 978-3-608-94626-0

Für mich ein typisches „Ja, eh – aber“-Buch, bei dem ich mir ziemlich oft gedacht habe: Ja, ist eh wahr – aber welchen Einfluss hat das auf mein Leben?
Zum Beispiel ist mir klar, dass Zeiten, die vor dem Bildschirm verbracht werden, logischerweise dann bei anderen Aktivitäten fehlen. Auch die Freizeit eines Kindes ist begrenzt, gerade in der heutigen Gesellschaft mit Ballett-, Englisch- und anderen Kursen.
Ja, in sozial schwächeren Schichten verbringen die Kinder tendenziell mehr Zeit vor diversen Bildschirmen, was ihrer Entwicklung nicht zuträglich ist. Ob daraus aber in direkter Ursache schlechte Schulnoten resultieren, wage ich zu bezweifeln.
Ja, ein Kleinkind oder ein junges Kindergartenkind haben wohl keinen oder nur wenig Nutzen vom Fernsehen. Und klar: Kein Kind wird einen Nachteil davon haben, wenn es vor der Schule noch nicht gelernt hat, mit einem Computer umzugehen. Das lernt es später immer noch.
Und ja: Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen TV-Konsum und Übergewicht nachwiesen, und andere, die einen Zusammenhang zwischen Aggressionen und Fernsehen/ Computer spielen zeigen. "Fernsehen macht dick und daumm"- kennen wir alle zur Genüge.

Obwohl das Buch keinen „Total-Abstinenz“ fordert, schrammt es für mein Gefühl sehr nahe dran.
Was so gut wie nie vorkommt, ist der Nutzen. Den gibt es maximal zwischen den Zeilen. Das finde ich schade, und es geht an der Realität vorbei. Sich gemeinsam mit einem kleinen oder größeren Kind den einen oder anderen Kurzfilm anzuschauen (und da macht es wenig Unterschied, auf welchem Medium) kann und darf ein nettes Erlebnis sein. Zum Beispiel, wenn die Mama erzählt, dass auch sie als Kind schon die Barbapapas gesehen hat. Da braucht mir keiner erzählen, dass das schädlich ist.
Genau werden sich die meisten Kindergartenkinder an Sendungen à la „Sendung mit der Maus“ oder „Willi will´s wissen“ erfreuen. Auch das ist ok und bedeutet nicht, dass sie der TV-Sucht verfallen sind (oder verfallen werden).
Auch gegen das eine oder andere Computerspiel ist wohl nichts einzuwenden; und auch nicht gegen den Einsatz des Computers in der Schule – dort, wo es sinnvoll ist (z.B. um jedem Kind zu ermöglichen, in seinem Tempo lesen zu lernen und zu üben).

Was problematisch ist, ist die „Dauerberieselung“ mit Medieninhalten (dazu zählt für mich auch das Radio oder „Hintergrundmusik“ in Dauerschleife) – aber das kommt im Buch kaum vor. Was sehr problematisch ist, ist (zu) junge Kinder (zu) lange alleine vor einem Bildschirm sitzen zu lassen. Aber das war wohl allen, die diese Buch kaufen und lesen, vorher auch schon klar.

Schade ist, dass die Kernbotschaft – und die unterschreibe ich zu 100% - zwischen diesen allseits bekannten (und noch dazu schlecht untermauerten) Argumenten untergeht: Kinder brauchen das echte Leben, also die direkte Teilhabe an der Welt: laufen, klettern, turnen, basteln, malen, in Regenlacken springen, Lärm machen, sich verkleiden, mit Bausteinen spielen, Bücher anschauen usw. Und Kinder sollten diese Welt gemeinsam mit ihren Eltern und anderen vertrauten Erwachsenen erleben. Und zwar so, dass die Erwachsenen tatsächlich dran teilnehmen und nicht einstweilen SMS schreiben, Fotos machen oder das Kind filmen.
Wenn Kinder das in ihrer Kindheit ausreichend erfahren können (und das geht naturgemäß mit weniger Bildschirmzeit besser), dann sind sie in großem Maß schon vor der „Mediensucht“ und vielen anderen Gefahren geschützt ;-).

PS: Ich finde es auch erstaunlich, dass man im Jahr 2016 ein Buch über Medien wieder auflegt, in dem das Wort Smartphone nicht vorkommt. Dort liegt für mich noch eine viel größere „Suchtgefahr“ - in diesem Format ist der Bildschirm immer verfügbar, man kann alles plötzlich nur noch mit einer App machen und fast alle 10-jährigen Kinder besitzen bereits eines. Dagegen ist der gute, alte Fernseher ein Klacks.

Freitag, 21. Oktober 2016

Minimalisten - das deutsche Wort für Underachiever

Alles richtig, was Fabian Grolimund (Schweizer Psychologe und Autor) in seinem Artikel "Mein Kind ist ein Minimalist!" schreibt.
V.a. in der Denkweise «Ich gebe immer nur halbe Kraft – dann kann ich mir sagen, dass ich eigentlich noch viel mehr gekonnt hätte, wenn ich gewollt hätte» finde ich mich wieder... Damit muss man die Verantwortung für eventuelle Misserfolge nicht völlig übernehmen, doch man wird auch nie erfahren, zu welchen Leistungen man "eigentlich" fähig wäre - und auf was man dann wirklich stolz sein könnte.

Wichtig auch die Mahnung an die Eltern, Anstrengung zu loben und nicht Begabung und Intelligenz. Denn nur Anstrengung kann man wissentlich beeinflussen. Und Leistung setzt sich eben aus Begabung PLUS Training zusammen.

Eines fehlt mir allerdings im Artikel: das Feedback. Denn wenn ein Mensch "nur" mittelmäßige (oder sogar unterdurchschnittliche) Leistungen erbringt, dann bekommt er auch das entsprechende Feedback von seinen Mitmenschen - dern Lehrern, Chefs und Arbeitskollegen. Und diese Kommentare und Urteile prallen nicht an allen Menschen ungehört ab. Hört man ständig, dass man "nur mittelmäßig" ist, glaubt man es irgendwann wohl selbst.
Und da wieder rauszukommen und sich zu guten/ besseren/ sehr guten Leistungen zu motivieren, kann eine schwierige Aufgabe sein.

"Mein Kind ist ein Minimalist"

Dienstag, 18. Oktober 2016

(K)eine digitale Bildungskatastrophe?

Es ist doch eigentlich ganz einfach zu verstehen und es ist auch für alle Medien (und für viele andere menschliche Erfindungen) das gleiche Prinzip: Nicht die Sache an sich ist "schlecht/ böse" sondern die Art und Weise, wie sie von manchen Menschen verwendet wird.

Daher ist es wenig nützlich, für absolute Abstinenz zu plädieren.
Denn durch Abstinenz lernt man die richtige Verwendung ganz sicher nicht ;-).

Spannend finde ich am folgenden Text den Satz, mit dem der Gebrauch des Internets in der Schule verurteilt wird:
"Schule muss die jungen Leute von der Vorstellung abhalten, mit Hilfe moderner Medien könne man sich mühelos und punktuell die gerade gebrauchten Informationen einholen", mahnt Josef Kraus, Lobbyist der deutschen Lehrerschaft.
Ich würde nämlich meinen, dass gerade darin eine der Stärken des Internets - durchaus auch im Klassenzimmer - liegt: Schnell zu einer aktuell notwendigen Information kommen.
Ich schätze das übrigens auch immer wieder in Gesprächen mit Freunden: "Wie heißt die Brücke von Dänemark nach Schweden eigentlich und wie lang ist sie?" "Wie viele Einwohner hat Island denn genau?" - Ach schau das doch mal schnell nach!

Klar, diese Dinge stehen theoretisch auch im Lexikon - aber halt nicht in ihrer aktuellesten "Fassung" - und außerdem habe ich das ja nicht immer dabei. Und selbst wenn es zur Ausstattung der Schule gehört, dann sicher nicht in jeder Klasse ;-).

Anstatt also die Nutzung digitaler Technik - sei es als Laptop, Tablet oder Handy - zu verweigern, wäre es in meinen Augen Aufgabe der Schule, den SchülerInnen die sinnvolle Nutzung dieser Technik nah zu bringen. Natürlich nicht im Alleingang, sondern mit Unterstützung der Eltern.

So sieht das auch Margarete Hucht in ihrer Antwort auf Josef Kraus.

Dienstag, 11. Oktober 2016

"Schule neu" - ein Beispiel aus Deutschland

Der Artikel zeigt, wie man mit überschaubarem  Aufwand Schule "verbessern" kann. An diesem deutschen Gymnasium gibt es jeden Tag 2-3 sogenannte Dalton-Stunden: In diesen Stunden können die SchülerInnen selbstständig entscheiden, mit welchem Fach sie sich bei welchem Lehrer beschäftigen wollen. Den Rahmen dafür gibt der "Dalton-Planer" vor, in dem steht, was der Schüler in einem bestimmten Zeitraum zu lernen hat.

Mir persönlich gefällt die Möglichkeit, auch bei einem anderen Lehrer als den "angestammten Klassenlehrern" etwas nachfragen zu können. Denn ein anderer Lehrer erklärt vielleicht ein bisschen anders und dann versteht man es plötzlich ;-).

Außerdem ermöglicht dieses System - laut Artikel - mehr persönlichen Kontakt zwischen Lehrer und Schüler, da Fragen eben nicht zwischen Tür und Angel beantwortet werden müssen.

Und natürlich, last but not least, lernen die SchülerInnen selbst Verantwortung für ihre Lernprozesse zu übernehmen und werden dadurch selbstständiger. Also Lernen fürs Leben!

https://www.welt.de/regionales/nrw/article158626019/Hier-suchen-sich-Schueler-ihre-Lehrer-selbst-aus.html




Montag, 10. Oktober 2016

Vererbung und Umwelt - immer wieder interessant, immer wieder rätselhaft

Dem Einfluss der "Gene" und der "Umwelt" auf die tatsächlichen Leistungen, die jemand im Laufe seines Lebens erbringt, wurde schon in vielen psychologischen Studien nachgegangen.
Doch bis heute sind - bei allen Bemühungen im Klärung - die Ergbnisse sehr breit gestreut: Gehen Verfechten einige Forscher die "10.000 Stunden-Regel" und gehen davon aus, dass "Training alles ist", zeigen anderen Studien hingeben Unterschiede zwischen Menschen, die höchst wahrscheinlich ererbt sind: Interessant finde ich dabei, dass der vorliegende Artikel zeigt, dass es sich bei diesen Unterschieden nicht (nur) um das handelt, was wir landläufig als "Talent" bezeichnen sondern um viel allgemeinere Eigenschaften: kognitive Verarbeitsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis, aber soagr die allgemeine Arbeitshaltungen, die Anstrengungsbereitschaft ("And practice is substantially heritable.").

Weniger erstaunt hat mich hingegen die Erkenntnis, dass Training bei "untrainierten" Menschen einen größeren Effekt hat als bei trainierten. Das kennen wir doch alle aus dem Alltag: Am Anfang, egal welcher Tätigkeit, hat man schnell Erfolgserlebnisse, doch je "besser" man wird, desto schwieriger wird es, noch besser zu werden.
Und wenn man dem Artikel Glauben schenken darf: Auf Topnievau entscheiden dann immer andere Faktoren als Training darüber, ob man Erster oder doch nur Zweiter oder Dritter wird.

http://www.newyorker.com/science/maria-konnikova/practice-doesnt-make-perfect

PS: Und doch, obwohl Training nicht alles ist, kann man hier nachlesen, dass jene mathebegabten Kinder, die auch eine entsprechende mathematische Förderung bekamen, "im richtigen Leben" bessere Leistungen erzielten als ihre ebenso begabten Zeitgenossen, die nicht geföerdert wurden.