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THEMA HOCHBEGABUNG


"Kluge Mädchen. Frauen entdecken ihre Hochbegabung" von Katharina Fietze

Endlich ein Buch, in dem es hauptsächlich um erwachsene Hochbegabte geht – und zwar um Frauen, also um jene Gruppe Hochbegabter, die sonst „am wenigsten auffällt“.


Der erste Teil des Buches besteht aus Kindheitsgeschichten, so wie sie von hochbegabten Frauen erzählt wurden und deckt eine große Bandbreite an Erfahrungen und Lebenswelten ab. Fast jede hochbegabte Frau wird sich in der einen oder anderen Szene wiederfinden.

Im zweiten Teil versucht die Autorin, aus diesen Geschichten „übergeordnete Charakteristika“ zu ziehen. Da sie von der Grundausbildung keine Psychologin ist, geht sie ziemlich unbefangen an diese Vorhaben, und das ist gut so. So kann sie nämlich der Vielschichtigkeit und den (inneren) Widersprüchen besser gerecht werden. Zum Beispiel kann ein und dieselbe Hochbegabte „offen und neugierig“ aber auch „verschlossen und menschenscheu“ sein, oder „hochkonzentriert“ und „leicht abgelenkt“. Das hängt eben von der jeweiligen Situation und dem aktuellen Befinden ab.

Der hier entscheidende Satz war für mich: „Die eigene Hochbegabung zu leben, beinhaltet die Fähigkeit, diese Gegensätze auszuhalten, ohne daran zu zerbrechen.“

Besonders wichtig ist für mich das Kapitel „Späterkannte Hochbegabung“: Was tun, wenn der Verdacht auf Hochbegabung erst im Erwachsenenalter eintritt? Wie kann man mit dem Testergebnis umgehen? Welche Folgen kann es für das eigene Leben haben?
Für meine Begriffe hätte der erste Teil dieses Kapitels – also bis zum IQ-Test - durchaus ausführlicher sein dürfen, da gehen für die die Zweifel und Überlegung, die hier viele Frauen plagen, etwas unter. Auch der Rest des Kapitels dürfte etwas konkreter ausfallen – manches ist nur hingeworfen, angedeutet. Aber natürlich verläuft der Prozess der „Integration der eigenen Hochbegabung“ bei jeder Frau anders.

Interessant auch, dass im letzten Kapitel „Hochbegabte Mädchen“ die alten Klischees – wie „Mädchen brauchen nichts lernen, die heiraten eh“, „ein kluges Mädchen hat weniger Chancen bei den Männern“ - angeführt werden. Ist es tatsächlich so, dass diese Ideen immer noch in unserer Gesellschaft und in unserem Denken wirksam sind?!
Besonders gefällt mir die Empfehlung: „Sagen Sie Ihrer Tochter ganz klar, dass sie hochbegabt ist.“ Das sehe ich auch so, denn Hochbegabung ist ein entscheidender Teil der Persönlichkeit und will sich als solcher entfalten, zur Geltung kommen. Und das geht besser, wenn man Bescheid weiß.

PS: Schade, dass das Cover nicht ohne Klischee auskommt - nicht alle hochbegabten Mädchen tragen eine Brille und sind Leseratten.



James T. Webb: Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung. Ein Ratgeber für Fachpersonen und Betroffene.
ISBN: 978-3-456-85365-9



Ganz zu Anfang: Webb bezeichnet Hochbegabung als Diagnose, daher der Begriff „Doppeldiagnose“ = Hochbegabung plus andere Diagnose. Das entspricht nicht meiner Auffassung, denn Hochbegabung muss glücklicherweise nicht zwingend eine Einschränkung sein (dazu wird sie erst, wenn das Umfeld nicht passt).


Das Buch ist sehr logisch aufgebaut: Es werden die häufigsten Diagnosen im Kindes- und Jugendalter besprochen und für jedes Störungsbild werden die wichtigsten Auffälligkeiten besprochen. Diese „Auffälligkeiten“ werden in einem zweiten Schritt unter dem Aspekt der Hochbegabung betrachtet. Dabei wird sichtbar, dass manche Verhaltensweisen, die bei hochbegabten Kindern typisch sind, in „gefährlicher Nähe“ zu dem stehen, was das DSM-IV-TR als „Auffälligkeit“ betrachtet. Zum Beispiel kann die Versunkenheit eines hochbegabten Kindes in eine interessante Tätigkeit als Störung der Aufmerksamkeit gesehen werden oder die motorische Aktivität als Hyperaktivität (obwohl das Kind nur mit den Beinen zappelt, weil es sich langweilt).


Grundsätzlich geht Webb davon aus, dass sich Hochbegabung und psychische Störung nicht ausschließen, dass aber oft Verhaltensweisen, die für Hochbegabung typisch sind, fälschlicherweise als Symptome einer Störung gesehen werden (= Fehldiagnosen), weil im diagnostischen Prozess der IQ-Test fehlt. Oder die Fachperson nicht über Hochbegabung Bescheid weiß.


Als Entscheidungskriterium führt Webb immer wieder die „persönliche Beeinträchtigung“ an - nach dem Motto: Wenn die betroffene Person sich nicht selbst beeinträchtigt fühlt, dann ist es keine psychische Störung. Das ist sehr wichtig, denn soll das Verhalten des Kindes geändert werden, weil es das Umfeld - und nicht das Kind selbst - belastet. Hier sagt Webb ganz klar, dass dieses Vorgehen falsch ist: Hier muss sich das Umfeld an das Kind anpassen.

Wichtig ist auch, dass beim diagnostischen Prozess abgeklärt wird, in welchen Situationen das „auffällige Verhalten“ auftritt, denn nur so kann geklärt werden, ob es nur eine normale Reaktion auf nicht passende Umweltbedingungen ist.


Das Buch beschränkt sich auf die Beschreibung und Erklärung der „Störungsbilder“ und auf ihrer Abgrenzung zur „normalen Hochbegabung“. Diesem Anspruch wird es voll und ganz gerecht. Wer Handlungsvorschläge oder Tipps zum Umgang mit hochbegabten Kindern sucht, wird hingegen enttäuscht werden.


PS: Zum Teil wirkt der Text ein bisschen amerikanisch - ständig ist die Rede von Hochbegabtenprogrammen der jeweiligen Schule und von Anpassung des Bildungsprogramms. So al ob das in den USA gang und gäbe wäre. Ob es tatsächlich so ist, kann ich nicht beurteilen. Wenn ja, dann sind sie uns hier um einiges voraus ;-).






Hoch begabt und trotzdem glücklich
(Horsch, Herbert; Müller, Götz; Spicher, Hermann-Josef; Verlag Oberstebrink, ISBN: 3-934333-16-8)

Ich weiß noch genau, das war vor etwas mehr als 6 Jahren das erste Buch, das ich zum Thema Hochbegabung gelesen habe. Die Volksschullehrerin meines Sohnes hatte es mir empfohlen, als ich ihr erzählt habe, dass er hochbegabt ist.
Im Buch klingt alles klar und einfach: Erster „Verdacht“ auf Hochbegabung, Diagnostik, Förderung unter Zusammenarbeit von Eltern, Kind, Erzieherin/ LehrerInnen – und ein glückliches Kind, das sich anstrengt, gute Leistungen erbringt und daraus Befriedigung zieht. Das Buch lieferte gut gegliederte Information für die verschiedenen Altersstufen, das wichtigste bunt unterlegt, leserfreundlich und gut verständlich.
Alles vollkommen schlüssig und selbstverständlich. Dazwischen griffige Fallbeispiele, und einige Seiten auch zu den möglichen „Problemen“. Der Grundton aber positiv und optimistisch.
Jetzt, fast 6 Jahre später, habe ich das Buch nochmals gelesen, bin nicht richtig warm damit geworden, aber einiges Inhaltliche ist trotzdem hängen geblieben.
* Die Autoren sind Verfechter von unbedingt nötiger spezieller Förderung, am besten vom Kindergarten an – ist das notwendig? Kommen nicht auch (viele?) hochbegabte Kinder ohne Förderung durch das Schulsystem, und zwar ohne Probleme und mit Leistungen, die ihrer Intelligenz entsprechen? Eben aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur, aufgrund der Tatsache, dass sie aus ihren Schulleistungen Befriedigung schöpfen, dass sie einen Unterricht genießen, der ohne „spezielle Begabungsförderung“ interessant und herausfordernd ist, dass sie neben der Schule ihre Spezialinteressen verfolgen?
Schon vor dem Kindergarten empfehlen die Autoren den Besuch einer Krabbelgruppe als unbedingt notwendig zur geistigen Stimulation. Ich bin nicht sicher, dass das den Bedürfnissen aller hochbegabten Kinder entspricht. Gerade die hochsensiblen Kinder bleiben dabei auf der Strecke. Und in diesem Alter sind fast alle Eltern in der Lage ihr Kind angemessen zu fördern. (Und die, die es nicht sind, kommen eh nicht drauf, dass das Kind hochbegabt ist.)
*Gut an dem Buch finde ich, dass die Eltern ermutigt werden, zusätzlich zu ihrem eigenen Blick auf das Kind auch nachzufragen, wie denn Kindergärtnerinnen die (kognitive) Entwicklung einschätzen. Die haben nämlich deutlich mehr Vergleichswerte. Das macht natürlich nur Sinn, wenn die Fachkräfte aufgeschlossen sind.
Den Begriff „Entwicklungs-Gleiche“ finde ich gut, also Kinder, die nicht gleich alt sind aber trotzdem gleich weit entwickelt.
* Hängengeblieben ist bei mir die Empfehlung für erste Gespräch mit der Klassenlehrerin, das schon vor dem Schuleintritt erfolgen soll: „Erzählen Sie von Ihrem Kind, was es so tut und kann – und davon muss mindestens ein Punkt negativ sein, also etwas, wo es nicht so gut ist.“ Von der Logik verstehe ich es - sonst gerät man in die Schiene „schon wieder so Eltern, die glauben, Sie haben ein Wunderkind“ - aber bei meinen Kindern hätte ich lügen müssen. Die waren sprachlich und mathematisch gut, bastelten und zeichneten gern, waren motorisch geschickt und hatten keinerlei Problem im Sozialverhalten.
* Eltern sollen Lehrern sachlich gegenüber treten. Da bin ich voll einverstanden, nur müssen halt die Lehrer da auch mitmachen. Wenn sich die schon vom Wort „hochbegabt“ angegriffen fühlen, wird es schwer, ein sachliches Gespräch zu führen.
* Im späteren Schulleben, ein Tipp an die Eltern: „Fordern Sie Schulleistungen, die der Begabung des Kindes entsprechen.“ Okay, aber wie denn nun genau? Das ist ein genereller Kritikpunkt, dass öfters vom „was soll getan werden“ die Rede ist, aber die konkreten Vorschläge für das „wie“ ausbleiben. Außerdem ist oft nicht klar, von welchem Alter die Rede ist. Vieles ist mit einem Volksschulkind anders als mit einem pubertierenden Gymnasiasten.
* Hausübungen werden zu einem Problem, wenn die Kinder unterfordert sind. Sie fordern dann Hilfe bei Dingen ein, die sie können (sollten) , weil sie sich nicht anstrengen (wollen)? Hier soll man die Kinder dazu anhalten, diese Aufgaben trotzdem alleine zu erledigen (wie denn?).Verstehe ich nicht, diese Logik. Ja, Hausaufgaben können durchaus zum Problem werden, aber weil das Kind die Sinnhaftigkeit nicht sieht und die Hausübungen langweilig findet, weil es den Stoff schon längst kann. Wieso soll man es dann zwingen, sie trotzdem zu machen?
* Kinder werden zu Underachievern, weil ihnen die Lern- und Arbeitstechniken fehlen, weil sie vorher alles mit links geschafft haben. Ja, die mag es geben, das ist durchaus nachzuvollziehen, aber im Allgemeinen wird es begabten Kindern gelingen (mit etwas Unterstützung) die notwendigen Lerntechniken zu erwerben. Aber was ist mit jenen Kindern, die zu Underachievern werden, weil sie sich – da der Schulstoff nicht auf ihrem Niveau ist – aus dem System Schule ausklinken?
* Eine interessante Idee ist das Kapitel „für hochbegabte Kinder und Teenager“. Dort werden „Fälle“ und ihre Lösung geschildert, wobei Kinder und Jugendlich zu Wort kommen und Tipps geben.
Inzwischen – viele Bücher und Erfahrungen reicher – finde ich das Buch ein bisschen zu „platt“, zu „eindimensional“, was vielleicht auch daran liegt, dass meine Kinder bis jetzt nicht das Glück hatten, in der Schule auf Verständnis für ihre Hochbegabung zu stoßen.
Aus heutiger Sicht gibt das Buch eine ganz gute Übersicht über eine optimale Entwicklung des hochbegabten Kindes und ist ein guter erster Einstieg in das Thema.


Zu Entwicklungsschwierigkeiten hochbegabter Kinder und Jugendlicher.
Bundesministerium für Bildung und Forschung


"Jetzt denk doch einmal nicht so viel“, „jetzt sei doch nicht immer so schnell“, „ich weiß, dass das langweilig für die ist, aber du musst das machen, weil es die anderen Kinder in der Klasse auch machen müssen“, „dich nehme ich gar nicht dran, weil du weißt eh immer alles“ - mit diesen und ähnlichen Anforderungen ihrer sozialen Umwelt zurecht zu kommen , fällt besonders begabten Kindern besonders schwer. Denn sie können diese Erwartungen nur erfüllen, wenn sie einen wesentlichen Teil ihrer Persönlichkeit verleugnen: ihr Lernbedürfnis. Wie alle anderen Kinder wollen auch die besonders begabten Kinder lernen, und zwar in dem Tempo, das ihnen angeboren ist.
Dieser Impuls wird aber oft – gewollt oder ungewollt – von Eltern, Lehrern und anderen Menschen in der Umgebung des Kindes gebremst. Da hochbegabte Kinder, so wie alle anderen Kinder, sich aber auch zugehörig fühlen wollen und dazu die Erwartungen ihrer Umgebung erfüllen wollen, kommen sie in einen inneren Konflikt: Ihre intellektuellen Bedürfnisse und ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit können nicht gleichzeitig erfüllt werden.
Die Kinder beginnen – meist ohne sich dessen voll bewusst zu sein – eines dieser beiden Bedürfnisse zu unterdrücken. Je nach Temperament des Kindes geht das mehr oder weniger „gut“, doch logischerweise bleibt immer etwas Unerfülltes zurück. Früher oder später – auch das hängt von der Persönlichkeit des Kindes und von der familiären und sozialen Umwelt ab – wird die Frustration zu groß, die psychischen Ressourcen reichen zur Unterdrückung nicht mehr aus und das Kind verändert sich. Diese Veränderung kann sehr verschieden sein, z.B. aggressives Verhalten, depressive Verstimmung, Schulverweigerung, extreme Aufsässigkeit zuhause, störendes Verhalten in der Schule, massiver Leistungsabfall...

In dieser „Auffälligkeit“ wird das Kind dann von den Lehrern und Eltern wahrgenommen. Leider wird diese „Auffälligkeit“ im Schulsystem als individuelles „Problem“ des Kindes angesehen (und daher die Verantwortung auf Kind und Eltern abgewälzt)– obwohl die Situation in der Schule zumindest als Mit-Verursacher gesehen werden muss. Und die Lage des Kindes ohne Veränderungen in der Schulsituation nur schwer verbessert werden kann.
Wer diese Zusammenhänge genauer nachlesen will, findet eine klare und gut verständliche Darstellung in der Broschüre „Zu Entwicklungsschwierigkeiten hochbegabter Kinder und Jugendlicher“, zum Download z.b hier (ÖZBF: http://www.oezbf.at/cms/tl_files/Publikationen/Div_andere_Handreichungen/03_broschuere_entwicklungsschwier_2006.pdf)
Das sollte Pflichtlektüre für alle LehrerInnen und Kindergartenpädagoginnen sein! Und auch für Eltern ;-).

Ursachen misslingender Schulkarrieren hochbegabter Kinder (Anna und Thomas Eckerle)

Von diesem Text gefällt mir der erste Teil ganz besonders gut, wo der Zusammenhang zwischen „individuellem Anforderungsniveau, schulischer Herausforderung und dem mit Dopaminausschüttung ausgelöstem Glücksgefühl“ beschrieben wird: Nur wenn die Schwierigkeit der Aufgabe so ist, dass sie mit Anstrengung gelöst werden kann, entsteht durch die Ausschüttung von Botenstoffen ein positives „Hochgefühl“, das wiederum die Leistungmotivation und das positive Selbstbild des Kindes stärkt. Sowohl schwach begabte wie auch hochbegabte Kinder haben in der Schule kaum Möglichkeiten, dieses Gefühl zu erleben. So kann es dazu kommen, dass auch hochbegabte Kinder, die die Möglichkeiten zu guten Schulleitungen mitbringen, keine Leistungsmotivation entwickeln, zu Anstrengungsvermeidern und in Folge zu Underachievern werden.

Was ich im weiteren Verlauf des Artikels nicht so gut nachvollziehen kann, sind die Erläuterungen darüber, dass „Underachiever“ - denn um diese Kinder geht es in dem Text - (fast) zwangsläufig soziale Probleme in ihrer Klasse haben, und zwar sowohl mit ihren MitschülerInnen als auch mit ihren LehrerInnen.

Auch den beiden zusätzlichen Risikofaktoren - Mangelnde Empathie und kommunikativer Einstellung sowie Unordnung des Wissens - kann ich nur wenig abgewinnen. Vor allem bei der „Unordnung des Wissens“ frage ich mich, wie die Autoren darauf gekommen sind und wie sie feststellen können, ob ein Kind geordnetes oder ungeordnetes Wissen hat. (Im Gegenteil sieht es eher so aus als ob hochbegabte Kinder besonders vernetzt denken würden, und das ist ja bei ungeordnetem Wissen nicht möglich. Außerdem: Wie kann man das nachweisen, ob Wissen geordnet oder ungeordnet ist? Sprunghaftes Denken muss m.E. nicht ungeordnetes Denken heißen.)
Die daraufberuhende Ablehnung des enrichment als „potentielle Erhöhung des Unordnung“ kann ich auch nicht mittragen, sehr wohl aber die Forderung, (hochbegabten) Kinder auch verschiedene Techniken zur Ordnung des Wissens zu lehren.
Wo ich sofort einen „Aha-Effekt“ hatte, war das „problemerfindende Denken“, das bei hochbegabten Kindern deutlich ausgeprägter zu sein scheint (z.B. weil Aufgabenstellungen zu wörtlich verstanden werden oder Aspekte bedacht werden, die nicht relevant sind.)

Mein Lieblingssatz zur Förderung: „Hochbegabtenförderung zielt auf Persönlichkeits-, nicht auf Wissensentwicklung, Leistungsmotivation auf den Aufbau von Selbstvertrauen, nicht auf Abrichtung zum vorzeigbaren Schüler.“ Das trägt auch der Beobachtung Rechnung, dass gerade hochbegabte Kinder ernst genommen werden und in ihrer ganzen Persönlichkeit wahrgenommen werden wollen.

Was mir fehlt, ist eine Überlegung dazu, warum 80% der hochbegabten SchülerInnen zumindest potentiell dem gleichen Risiko ausgesetzt sind, ihm aber nicht erliegen. Oder genießen die alle einen „nicht-langweiligen“ Unterricht? Das kann ich mir nicht vorstellen.



Jedes Kind ist hoch begabt. Gerald Hüther und Uli Hause



Diese Autoren sind Meister der Verallgemeinerung. Das schade, denn beim Lesen entsteht bei mir so eine Art Groll und dann nehme ich das, was an Richtigem gesagt wird, auch nicht mehr wahr und ernst.

5 Seiten gelesen – und schon die erste Irritation. Die Autoren schreiben über Talente-Scouts im Sport – und relativieren dann ihren Nutzen, „weil gerade die weltbesten Fußballer keine überragende Körpergröße haben“. Hat ja auch keiner gesagt, davon war nirgends im Text die Rede. Und ich nehme an, dass die Fußball-Trend-Scouts das auch wissen und nicht nach Körpergröße auswählen.
So geht es munter weiter: Wer große Hände hat, ist begriffsstutzig. Sehr nett. Und zwar, weil sich schon im Mutterleib die Nervenverbindungen bilden und diese bei Personen mit großen Händen anders sind als bei Menschen mit kleinen Händen. Aha. Hier hätte ich gerne einen wissenschaftlichen Nachweis. Also dass Menschen mit großen Händen erstens ungeschickt und zweitens „schwer von Begriff“ sind. Und zwar quasi von Geburt an.
Oder: „Gerade unter den Menschen, die mit einer Behinderung ins Leben gehen, erbringen viele besondere Leistungen.“ Auch diese Aussage braucht m.E. einen Beweis. Natürlich gibt es „Menschen mit Handicap“, die Tolles leisten – aber sind es prozentual tatsächlich mehr als bei den „nicht-behinderten“?
Manche Menschen sind zu besonderen kognitiven Leistungen fähig – aber ihr analytisches Denken ist nur eine Kompensation für ihre Unfähigkeit, Gefühle zu erkennen. AHA. Das Klischee vom „sozial unfähigen Genie“ konnten sie natürlich nicht auslassen...

Interessant auch seine Erklärung für besondere Begabungen: Mozart – so sein Beispiel – wurde deswegen ein genialer Komponist, weil seine Mutter sich immer entspannt hat, wenn der Vater musizierte. So hat der kleine Mozart schon im Mutterleib gelernt, dass Musik „gut tut“, die entsprechenden Nervenverbindungen bildeten sich und daher hat er sich später selbst mit Musik beschäftigt. Kann sein oder auch nicht. Müsste man nachweisen, dass viele Komponisten/Musiker auch musizierende Eltern hatten.
Und dann soll er mir bitte nach diesem Muster erklären, wie kognitive Hochbegabung entsteht!

Wenn man über diese Schwächen und das absolute Fehlen von Fußnoten und Referenzen (auch für Zitate) hinwegsieht, entdeckt man vieles, wo das Buch Recht hat. Zum Beispiel, dass jedes Kind das angeborene Bedürfnis nach Bindung an eine Bezugsperson hat. Dass jedes Kind mit der Fähigkeit zu lieben auf die Welt kommt. Dass es sich in einer guten Beziehung besser lernt als ohne. Dass Kinder von Natur aus neugierig und kreativ sind. Usw. Aber nichts davon ist neu – und nichts davon wird irgendwie stichhaltig belegt. Im Großen und Ganzen erzählt er, was jeder an seinen Kindern beobachten kann.
Auch auf gesellschaftlicher Ebene erzählt er nichts Neues: Dass viele Ehen zerbrechen, dass es wenig Platz für Kinder gibt, wo sie spielen können, dass Eltern aufgrund ihrer Arbeitssituation im Stress sind usw. - all das ist hinlänglich bekannt. Da finde ich es wenig sinnvoll, mit diesen „Erkenntnissen“ Seite um Seite zu füllen.
Dazwischen dann wieder ein Gedanke, wo ich sage: Ja, das stimmt – zum Beispiel, dass Kinder sich am besten entwickeln, wenn sie Vertrauen in sich selbst, in nahe Bezugspersonen und in die Welt an sich haben. Aber da fehlen mir dann die Ideen, wie man dieses Vertrauen in den Kindern stärken kann – und zwar eben unter den „Einschränkungen“, die das moderne Leben mit sich bringt. Da würde das Buch dann nützlich werden.

Mit Erkenntnissen aus dem modernen Leben (Bilderflut, Reizüberflutung, Verlust des Mitgefühls usw.) geht es durch den Mittelteil des Buches – dann endlich, das letzte Kapitel: Für ein Leben in Fülle: Was unsere Kinder wirklich brauchen? Kommt jetzt endlich, auf den letzten 15 Seiten etwas Hilfreiches? Etwas Alltagstaugliches? Leider nein, ich habe nur wenige Sätze gefunden, die uns nun sagen, was geschehen soll: Nämlich Wut-Eltern werden und uns gegen das wehren, was unseren Kindern zugemutet wird. Aha. Über das Wie schweigen die Autoren. Die zweite konkrete Idee: Schulen sollen so werden, dass den Kindern Vertrauen, Ermutigung und Wertschätzung entgegengebracht wird. Ja, da bin ich auch dafür – doch auch hier fehlen die konkreten Ideen.

Auf den letzten Seiten schildern die Autoren von einem „Experiment“ mit 11 ADHS-Kindern, die einen Sommer lang auf einer Selbstversorgeralm lebten. Es ist schön zu hören, wie sich diese Kinder dort positiv entwickelt haben, und das illustriert die Formbarkeit der (kindlichen) Persönlichkeit. Viel interessanter und mit einem Nutzen für deutlich mehr Kinder wäre es aber, wenn die Autoren ein paar konkrete Vorschläge hätten, was Eltern (und Lehrer) nun denn KONKRET tun können, damit Kinder in der Welt, in der wir nun eben leben, ihr Ur-Vertrauen, ihr Mitgefühl und ihre Kreativität nicht verlieren.

PS: Auch wenn man es wegen des Titels erwarten würde: Kognitive Hochbegabung im Sinne von „IQ ab 130“ kommt im Buch nirgends vor.
PPS: Ich habe schon lange kein Buch gelesen, in dem derart viele Ein- und Zweiwortsätze vorkamen. Das fand ich extrem mühsam. Außerdem hätten einige Querverweise und Referenzen auf andere Bücher/ Studien der Wissenschaftlichkeit und der Glaubwürdigkeit gedient.





THEMA FAMILIE



Paula Bleckmann: Medienmündig.
ISBN: 978-3-608-94626-0

Für mich ein typisches „Ja, eh – aber“-Buch, bei dem ich mir ziemlich oft gedacht habe: Ja, ist eh wahr – aber welchen Einfluss hat das auf mein Leben?
Zum Beispiel ist mir klar, dass Zeiten, die vor dem Bildschirm verbracht werden, logischerweise dann bei anderen Aktivitäten fehlen. Auch die Freizeit eines Kindes ist begrenzt, gerade in der heutigen Gesellschaft mit Ballett-, Englisch- und anderen Kursen.
Ja, in sozial schwächeren Schichten verbringen die Kinder tendenziell mehr Zeit vor diversen Bildschirmen, was ihrer Entwicklung nicht zuträglich ist. Ob daraus aber in direkter Ursache schlechte Schulnoten resultieren, wage ich zu bezweifeln.
Ja, ein Kleinkind oder ein junges Kindergartenkind haben wohl keinen oder nur wenig Nutzen vom Fernsehen. Und klar: Kein Kind wird einen Nachteil davon haben, wenn es vor der Schule noch nicht gelernt hat, mit einem Computer umzugehen. Das lernt es später immer noch.
Und ja: Es gibt Studien, die einen Zusammenhang zwischen TV-Konsum und Übergewicht nachwiesen, und andere, die einen Zusammenhang zwischen Aggressionen und Fernsehen/ Computer spielen zeigen. "Fernsehen macht dick und daumm"- kennen wir alle zur Genüge.

Obwohl das Buch keinen „Total-Abstinenz“ fordert, schrammt es für mein Gefühl sehr nahe dran.
Was so gut wie nie vorkommt, ist der Nutzen. Den gibt es maximal zwischen den Zeilen. Das finde ich schade, und es geht an der Realität vorbei. Sich gemeinsam mit einem kleinen oder größeren Kind den einen oder anderen Kurzfilm anzuschauen (und da macht es wenig Unterschied, auf welchem Medium) kann und darf ein nettes Erlebnis sein. Zum Beispiel, wenn die Mama erzählt, dass auch sie als Kind schon die Barbapapas gesehen hat. Da braucht mir keiner erzählen, dass das schädlich ist.
Genau werden sich die meisten Kindergartenkinder an Sendungen à la „Sendung mit der Maus“ oder „Willi will´s wissen“ erfreuen. Auch das ist ok und bedeutet nicht, dass sie der TV-Sucht verfallen sind (oder verfallen werden).
Auch gegen das eine oder andere Computerspiel ist wohl nichts einzuwenden; und auch nicht gegen den Einsatz des Computers in der Schule – dort, wo es sinnvoll ist (z.B. um jedem Kind zu ermöglichen, in seinem Tempo lesen zu lernen und zu üben).

Was problematisch ist, ist die „Dauerberieselung“ mit Medieninhalten (dazu zählt für mich auch das Radio oder „Hintergrundmusik“ in Dauerschleife) – aber das kommt im Buch kaum vor. Was sehr problematisch ist, ist (zu) junge Kinder (zu) lange alleine vor einem Bildschirm sitzen zu lassen. Aber das war wohl allen, die diese Buch kaufen und lesen, vorher auch schon klar.

Schade ist, dass die Kernbotschaft – und die unterschreibe ich zu 100% - zwischen diesen allseits bekannten (und noch dazu schlecht untermauerten) Argumenten untergeht: Kinder brauchen das echte Leben, also die direkte Teilhabe an der Welt: laufen, klettern, turnen, basteln, malen, in Regenlacken springen, Lärm machen, sich verkleiden, mit Bausteinen spielen, Bücher anschauen usw. Und Kinder sollten diese Welt gemeinsam mit ihren Eltern und anderen vertrauten Erwachsenen erleben. Und zwar so, dass die Erwachsenen tatsächlich dran teilnehmen und nicht einstweilen SMS schreiben, Fotos machen oder das Kind filmen.
Wenn Kinder das in ihrer Kindheit ausreichend erfahren können (und das geht naturgemäß mit weniger Bildschirmzeit besser), dann sind sie in großem Maß schon vor der „Mediensucht“ und vielen anderen Gefahren geschützt ;-).

PS: Ich finde es auch erstaunlich, dass man im Jahr 2016 ein Buch über Medien wieder auflegt, in dem das Wort Smartphone nicht vorkommt. Dort liegt für mich noch eine viel größere „Suchtgefahr“ - in diesem Format ist der Bildschirm immer verfügbar, man kann alles plötzlich nur noch mit einer App machen und fast alle 10-jährigen Kinder besitzen bereits eines. Dagegen ist der gute, alte Fernseher ein Klacks.




SOS Kinderseele


Das Buch SOS Kinderseele von Michael Winterhoff liegt schon lange auf meinen Nachtkasterl. Der Titel hat mich angesprochen... Ich habe schon öfter drin gelesen, aber so wirklich anfreunden konnte ich mich nie damit, weil es sehr einseitig und plakativ geschrieben ist: Alles, was die Autonomie und Eigenständigkeit von Kindern betont, scheint grundsätzlich schon verdächtig zu sein – und das geht mir gegen den Strich.

Der Inhalt ist schnell wiedergegeben, außerdem scheint alles ganz klar und einfach zu sein: Es gibt immer mehr auffällige Kinder und da muss man was dagegen tun. Soweit bin ich seiner Meinung.



Zwei seiner eigenen Formulierungen scheinen Winterhoff besonders gut zu gefallen: „Die auffälligen Kinder können nicht zwischen Gegenstand und Mensch unterscheiden“ - das soll heißen: Den Kindern ist nicht klar, dass sie die Menschen in ihrer Umgebung nicht „steuern“ können. Daher lassen sich diese Kinder – so Winterhoff – von den Erwachsenen auch nicht steuern. Zum Beispiel versuchen diese auffälligen Kinder ihre Lehrer zu einer Reaktion zu bewegen, bevor sie eventuell der Aufforderung nachkommen, indem sie z.B. nachfragen: „ich auch?“ oder „welches Buch“.

Wieso die Kinder diese Unterscheidung nicht lernen, ist für Winterhoff ganz klar: Eltern und Großeltern sind in der Symbiose mit dem Kind. Und hier kommt die zweite Formulierung, die immer wieder vorkommt: „Eltern nehmen das Kind wie einen ihrer Körperteile wahr“. Trotz ständiger Wiederholung habe ich bis zum Schluss nicht verstanden, was damit genau gemeint ist.

Und warum Eltern und Großeltern diese ungesunde symbiotische Beziehung zum Kind eingehen? Daran ist die moderne Gesellschaft schuld: „Erwachsene sind im Katastrophenmodus. d.h. Sie leben nur noch im Augenblick und sind kopfgesteuert, haben die Intuition für das Kind verloren.“ Was genau an der modernen Gesellschaft so schlimm ist, wird nicht klar...

Abhilfe schaffen sollen KindergartenpädagogInnen und LehrerInnen: Sie sollen eine gesunde Beziehung zu den Kindern aufbauen – für Winterhoff bedeutet das: klare Strukturen, wiederkehrende Abläufe, überschaubare Gruppen, liebevolle Anleitung und Begleitung, viel Wiederholung.

Wie das konkret in Gruppen mit bis zu 25 Kinder funktionieren soll? Dazu schweigt das Buch. Auch die anderen „Lösungsvorschläge“ wirken ein bisschen mickrig.

Rein inhaltlich gesehen hatte ich persönlich am Ende des Buchs den nicht Eindruck, jetzt „gescheiter“ zu sein oder mehr zu wissen als vorher.


Die kleinen Boss. Wenn der Nachwuchs die Führung übernimmt. von Regine Schneider
 
Absolut verzichtbar, dieses Buch!
Um dem Titel gerecht zu werden, erzählt es viele Episoden, in welchen immer schlimme und „böse“ Kinder im Mittelpunkt stehen: Die Kinder sind trotzig, bockig, frech, unordentlich, undankbar, „ungezügelt“, „unerziehbar“, biestig, verschlagen – ganz einfach SCHLIMM UND BÖSE.
Nun habe ich in meinem Leben mit Kindern viele ähnliche Situationen erlebt und will gar nicht bestreiten, dass alles, was die Autorin geschildert hat, wahr ist. (Und es ist gut, wenn man das als Kontrastprogramm zu den vielen Vorzeigefamilien mal schreibt).
Aber es ist nicht die ganze Wahrheit: Neben den vielen anstrengenden Augenblicke gibt es nämlich viele schöne, freudige, erfüllende Augenblicke. Und diese werden mit keinem einzigen Wort erwähnt.
Ideen, wie man mit den „bösen Kindern“ umgehen könnte, hat die Autorin keine. Außer dem Rat, dass alle Frauen berufstätig sein sollen. Was dann naturgemäß dazuführt, dass sie sich nicht mit den „bockigen“ Kindern auseinandersetzen müssen. An der grundlegenden Situation ändert es gar nichts.
Das ist nämlich der zweite rote Faden des Buches: „Vollmuttis“ schaden ihren Kindern und daher müssen alle Mütter arbeiten gehen. Ich bin die letzte, die einer Mutter ein schlechtes Gewissen macht, weil sie trotz Kindern arbeiten geht, aber ich mache auch den „Vollzeitmüttern“ kein schlechtes Gewissen. Die Autorin tut es und spielt die beiden Gruppe gnadenlos gegeneinander aus. (Die „Vollmuttis“ sind übrigens immer ungepflegt und pummelig und verwöhnen ihre Kinder maßlos.)
Einzig sinnvoll ist die Aussage, dass nur eine „zufriedene und glückliche Mutter ihre Familie zufrieden und glücklich machen kann.“ Doch dass dieser Zustand auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, soweit denkt die Autorin nicht. Sie setzt ständig "berufstätige Mutter" mit "glücklicher Familie" gleich.
Manche Kinder brüllen tatsächlich nur 5 Minuten, wenn sie in Fremdbetreuung gegeben werden, und andere weinen den ganzen Tag, manche Väter helfen im Haushalt und andere nicht, manche Mütter bekommen trotz Kindern wieder einen guten Job und andere nicht, manche Mütter sind ohne Job froh und glücklich und andere nicht. Wieso kann man nicht jeder Frau, jedem Mann, jedem Kind seinen eigenen Weg lassen? Menschen sind verschieden, wieso sollen sie nach dem gleichen Rezept glücklich werden?



Kinder brauchen böse Eltern“ - dieser Buchtitel ist mir unlängst unter die Augen gekommen. Das musste ich genauer wissen, doch leider hat das Buch meine Erwartungen nicht erfüllt.

Objektiv gesehen ist schon der Titel falsch: Kinder brauchen keine BÖSEN Eltern, die ihnen Schlimmes antun, sondern sie brauchen Eltern, die sich ausreichend von ihren Kindern abgrenzen und auch ein Nein oder eine Grenze durchsetzen und die damit verbundenen Konflikte aushalten können.

Es ist dem Autor aber hoch anzurechnen, dass er Dinge anspricht, die sonst weitgehend verschwiegen werden: Nämlich dass die Vorstellung, Familienleben müsse immer harmonisch verlaufen, eine absolut unrealistische Erwartung ist, mit der sich Eltern im Alltag selbst überfordern: Im Zusammenleben von Eltern und Kindern gab und gibt es immer Konflikte. Wünsche und Bedürfnisse der unterschiedlichen Generationen sind eben nicht die gleichen. In der modernen, westlichen Gesellschaft werden diese Konflikte verdrängt – es darf sie nicht geben, weil das harmonische Familienleben zum Statussymbol erhoben wurde und daran Erfolg und Misserfolg gemessen werden.

Der Autor spricht auch an, dass negative Gefühle – auch gegenüber den eigenen Kindern – nicht schlecht oder böse sind, sondern auch zum „Erziehungsprozess“ gehören. Viele Eltern plagt die Angst, dass ihre Erziehungs“versuche“ scheitern könnten, und fast alle Eltern sind der „wilden Triebhaftigkeit“ ihrer eigenen Kinder schon fassungslos und hilflos gegenüber gestanden. Man denke nur an die Trotzphase...

Nur traut sich niemand, das öffentlich zuzugeben, weil viele Mütter und Väter Angst haben, dann als „Rabeneltern“ abgestempelt zu werden.

So wächst eine unbewusste Ansammlung negativer Gefühle, die irgendwann Eltern explodieren lässt. Oft zu einem nichtigen Anlass....





THEMA FLUCHT


Paradies Sucher von Rena Dumont.

Alt und doch aktuell: Die Autorin schildert, wie sie 1987 als 17-jährige ihre Flucht aus der Tschechoslowakei erlebt hat. Sie erzählt sehr sachlich, ohne jegliche „Gefühlsduselei“ und berichtet ehrlich auch von jenen Episoden, wo sie nicht so gut wegkommt. Obwohl ihre Flucht im Vergleich zu dem, was manche Flüchtlingen aktuell durchmachen müssen, „harmlos“ zu sein scheint, ist die Entscheidung für sie und ihre Mutter schwierig und zwischen den Zeilen erkennt man die Verletzungen, die sie erlitten haben. Zum Beispiel, alle Fotos und Tagebücher zurücklassen zu müssen. Man sieht auch, dass es selbst für Europäer nicht einfach ist, in einem anderen europäischen Land heimisch zu werden und Fuß zu fassen.
Das Buch zeigt die „Flüchtlinge“ von der Seite der direkt Betroffenen und macht deutlich, dass sie Hilfe brauchen, auch wenn sie schon am Ziel ihrer Flucht gelandet sind (Sprachkurse, psychologische Betreuung, Hilfe bei Behördengängen, Sachspenden).



Nuri und der Geschichtenteppich

Nuri musste mit ihren Eltern aus Bagdad flüchten. Nun lebt sie seit kurzem in Deutschland und schreibt ihrer Tante, die in Bagdad zurückgeblieben ist, regelmäßig Briefe. Nuri erzählt, dass es in Deutschland kalt ist und viel regnet, dass das Brot ganz anders ist und dass die Datteln so teuer sind, dass sie sich keine leisten können. Nuri erzählt auch von der Mutter, die oft weint, von der Schule, dass die anderen Kinder ihrer Klasse sie ärgern, beschimpfen, schlagen, dass niemand neben ihr sitzen will. Aber Nuri erzählt auch von ihrem Geschichtenteppich. Diesen bunten Teppich hat ihr Vater Nuri geschenkt und wenn sie ganz still draufsitzt, erzählt der Teppich ihr eine Geschichte. Mit Hilfe dieser fantasievollen und lustigen Geschichte schafft es Nuri, in Deutschland Fuß zu fassen und letztendlich wird sie auch in ihrer Klasse anerkannt.
Nuri und der Geschichtenteppich ist ein empfehlenswertes Buch, das ohne Sentimentalität, ohne auf die Tränendrüsen zu drücken vom Leben eines entwurzelten Kindes erzählt. Auch die Illustrationen sind sehr schön, bunt und witzig. Das Buch eignet sich ungefähr für Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, es regt zum Fragen und Nachdenken an, ohne zu schockieren.

PS: Nuri und der Geschichtenteppich ist auch ein „therapeutisches Buch“, denn es zeigt, wie man seine persönlichen und kulturellen Ressourcen aktivieren kann, um eine Schwierigkeit zu überwinden.

Andrea Karimé und Annette von Bodecker-Büttner: Nuri und der Geschichtenteppich, ISBN-13: 987-3-85452-889-0



ANDERE BÜCHER


Leider hat Lukas von Niki Glattauer

Ein Buch in Form eines Mitteilungsheftes, gewürzt mit den Gedanken das Vaters. Das klingt originell – ist es aber letztendlich nicht. Die einige originelle Szene kann man hinten auf dem Buch lesen: Hier schreibt eine genervte Mutter an die Lehrerin ihres Sohnes Lukas: … möchte Ihnen mitteilen, dass Ihr Schüler Lukas zuhause jede Mitarbeit verweigert und das Familienklima unter seinem Verhalten leidet. Bitte sprechen Sie mit ihn, damit sich das ändert.
Ich gestehe, dass ich ähnliche Gedanken auch schon hatte – denn wie sollen Eltern wirkungsvoll auf das Verhalten ihrer Kinder im Klassenzimmer einwirken, wenn sie nicht mal dort sind?
Ansonsten erschöpft sich das Buch im Wiederkäuen sämtlicher „Anekdoten“ und Ärgernisse aus dem Schulbetrieb, die allen Eltern zur Genüge bekannt sein dürften... Und ich fand es nicht mal besonders witzig.

Britannica und ich von A.J. Jacobs
Es gibt ja nicht nur hochbegabte Menschen sondern auch extrem hoch begabte Menschen und extremst hochbegabte Menschen. Für diese alle hat Ron Hoeflin (ein Amerikaner) hat die 4 "High IQ-Clubs = HIQS" gegründet: (Zur Erinnerung: Mensa = die besten 2% im IQ-Test).
Top One Percent Society = eh klar, die besten 1%
One-in-a tousand = besten 0,1%
Prometheus society = 0,003 % (wie man auf diesen Prozentsatz kommt, ist mir ein Rätsel ;-)
Mega Society = 0,0001%

Ron selbst hat, so steht es zumindest im Buch, mindestens 190. Ach ja, das Buch heißt: Britannica & ich, Untertitel: Von einem, der auszog, der klügste Mensch der Welt zu werden. Dieser Mensch ist A.J. Jacobs, ein amerikanischer Journalist, und er beschreibt in dem Buch sein Leseprojekt: die Encyclopædia Britannica zu lesen, also 33.000 Seiten Lexikon-Lektüre.
Zwischen den Bemerkungen über mehr oder weniger skurrile Lexikoneinträge sinniert er auch über das Wesen der Intelligenz, den Zusammenhang zwischen Wissen und Intelligenz(„Aber ich bin überzeugt, dass zwischen Wissen und Intelligenz ein – wie auch immer gearteter – Zusammenhang besteht. Vielleicht ist Wissen der Treibstoff und Intelligenz das Auto? Vielleicht sind Fakten das Fundament und Intelligenz die Kathedrale? Ich habe keinen Schimmer.“ S. 33) und berichtet über Treffen mit hochbegabten Menschen.
Nicht gerade ein literarisches Meisterwerk, aber doch ganz nette Sommerlektüre.
Für Lexikonfans: www.britannica.com
oder auf Facebook: https://www.facebook.com/BRITANNICA
https://de.wikipedia.org/wiki/Encyclopædia_Britannica


Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück von Francopis Lelord
Meine Erwartungen an das Buch waren ziemlich hoch – schließlich hatte ich mitbekommen, dass es wochenlang auf den Bestsellerlisten war. Leider konnte mich das Buch nicht richtig fesseln – ich fand den Stil von Anfang bis Ende seltsam. Warum schreibt man ständig Damen und Herren statt Männer und Frauen - das kam mir so vor, wie man das manchmal Kindern sagt: „Sag nicht Frau, das ist unhöflich, sag Dame!“ Auch die direkte Anrede des Lesers – z.B. „wir sagen Ihnen nicht, wie diese Fachrichtung heißt, damit Sie keine Angst bekommen“ oder „wir hätten Ihnen früher erklären müssen“, oder „Sie fragen sich sicher“ - fand ich mühsam und unnötig. Wenn das dem Stil Frische verleihen soll, hat es bei mir nicht geklappt...
Das Buch konnte mich nicht in seinen Bann ziehen, denn auch inhaltlich bot es mir keine besonderen Neuigkeiten. Hector sammelt auf einer Reise um die Welt (wieso werden die USA das Meist-Land genannt?) Lektionen zum Glück. An und für sich eine ganz gute Idee, doch irgendwie wirkt es sehr platt. z.B. Glück ist, mit den Menschen zusammen zu sein, die man liebt. Oder: Glück ist, wenn es der Familie an nichts mangelt. Oder: Vergleiche anzustellen ist ein gutes Mittel, sich sein Glück zu vermiesen.
Auch war die „Vermischung“ von Psychopharmaka, Psychotherapie, EEG usw. mühsam – es ist klar, dass dies alles mit Glück zu tun haben kann, aber alles wird nur kurz angerissen (Warum muss man statt EEG großes Gerät schreiben? Wie dumm sind die Leser?)
Für meine Begriffe wirkt das ganze Buch viel zu konstruiert, zu wenig lebendig, es verfolgt sein Ziel viel zu offensichtlich.
Einzig und alleine das allerletzte Kapitel – die fünf Familien des Glücks – fand ich bemerkenswert, denn sie helfen, das „Glück“ ein bisschen zu ent-mystifizieren und auf Alltagsgröße herunter zu brechen:
  • Das „lebendige Glück“ – wenn wir feiern, das Leben genießen, uns freuen.
  • Das „nützliche Glück“ - wenn wir eine Aufgabe erfüllen, die nützlich ist und uns Spaß macht, wenn wir darin aufgehen.
  • Das „So soll es bleiben Glück“.
  • „Glück ist eine Sichtweise“ - das Positive sehen, schädliche Denkweisen (z.B. Vergleiche) loslassen.
  • Das „Ich bin mit anderen Menschen verbunden und für diese Menschen da“- Glück.
Diese Liste finde ich gut, denn sie bietet Kompensationsmöglichkeiten – z.B. auch wenn ich gerade keine nützliche Beschäftigung habe, kann ich versuchen, das Positive nicht zu übersehen. Oder versuchen, für andere Menschen da zu sein. (Obwohl es da natürlich Grenzen gibt: Hat man kein Geld, kann man schwer das Leben genießen...)
Insgesamt aber Buch aus der Kategorie: „Naja, war nicht so toll.“ Wird bei mir keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Alle Lektionen zum Nachlesen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hectors_Reise
Die Unwahrscheinlichkeit von Liebe von A.J. Betts
 
Zac und Mia treffen einander im Krankenhaus, auf der Onkologie. Beide wurden von ihrer Krankheit aus ihrem normalen Teenagerleben gerissen und beide suchen nach einem Weg, irgendwie mit der Krankheit zurecht zu kommen.

Ob es Liebe ist, was sie verbindet? Auf jeden Fall ist es nicht kitschig und nicht sentimental.
Ein Buch vom Geben und Nehmen und von der Schwierigkeit, jung und krank zu sein.
Happy end? So wie im richtigen Leben – ungewiss.  


Das große und das kleine Pfüh von Christine Rettl und Carola Holland
Dieses Buch zeigt auf amüsante Weise, was passiert, wenn wir glauben, dass wir irgendetwas (in diesem Fall ein Pfüh) brauchen, um glücklich zu sein – und zwar nur, weil uns irgendjemand (im Buch der Dögel) gesagt hat, dass wir es UNBEDINGT brauchen. Wir rennen dann blöd in der Welt herum, suchen an allen möglichen und unmöglichen Orten, nerven jeden, der uns begegnet mit unseren Fragen. Und am Ende bleibt uns nichts übrig, als wieder nach Hause zu kommen. Die böse Bemerkung des Dögel „Pfühs sind unsichtbar“ trifft uns nicht mehr – denn wenn wir wieder „zuhause“ sind, fällt uns auf, dass das Pfüh doch wohl nur dort sein kann, wo wir glücklich und zufrieden sind.


Ein Leseerlebnis für Kinder und Erwachsene, mit witzigen, bunten Bildern und noch dazu aus Österreich!

An der Arche um Acht von Ulrich Hub und Jörg Mühle
 
Ja, es geht um die Arche Noah und Gott kommt auch vor in diesem Buch. Und doch ist es nicht unbedingt ein religiöses Buch. Es erzählt in lockerem Ton die Geschichte der Pinguine auf der Arche Noah. Auf dem Titelbild sind die beiden übrigens zu sehen – und im Koffer steckt der dritte ;-).
Die Dialoge im Buch sind subtil, unglaublich gut beobachtet und trotzdem leicht zu lesen. Kleine und größere Zeichnungen lockern den Text auf, trotzdem ist „An der Arche um Acht“ nicht nur ein Kinderbuch. Auch Erwachsene werden bei manchen Szenen schmunzeln.
Wer möchte, kann das Buch als Anstoß dafür verwenden, (wieder einmal) über Gott und die Welt nachzudenken. Aber das Buch drängt niemandem irgendeine Weltsicht auf, es missioniert nicht, es will nicht überzeugen sondern lädt zum eigenen Denken ein, da die beiden Pinguine die „Sache mit Gott“ sehr unterschiedlich wahrnehmen und interpretieren. 
 
Ganz am Ende sorgt der dritte Pinguin übrigens für eine besondere Überraschung – spätestens hier werden „katholische Fundamentalisten“ das Buch hassen...

Ausgezeichnet mit dem Deutschen Kinderhörspielpreis 2006 und den Deutschen Kindertheaterpreis 2006.
PS: Wer das Buch nicht kaufen möchte, kann es in der Stadtbücherei Bad Vöslau ausleihen.
Wunder von R.J. Palacio
Das Universum ist nicht nett gewesen zu August, der Hauptperson aus dem Buch "Wunder" von R.J. Palacio. Er ist "ein ganz normaler Junge", witzig und cool, doch leider mit mehreren Gendefekten. Deshalb sind sein Schädel und sein Gesicht stark verformt.
Nun soll August mit 10 Jahren zum ersten Mal in eine richtige Schule gehen (bisher wurde er von seiner Mutter zuhause unterrichtet).
Aus originelle Weise schildert die Autorin, was in diesem Schuljahr alles passiert ... und vermittelt ohne erhobenen Zeigefinger und Besserwisserei, worauf es ankommt.
Obwohl viele Charaktere und Situationen ein bisschen "0815" sind, ist das Buch schnell und unterhaltsam zu lesen, richtige "Regenwetter-Wochenende-Lektüre" eben.


Auch das Motto, das der Schulleiter "seinen SchülerInnen" am Ende des Schuljahres mitgibt, klingt zwar auf den ersten Blick irgendwie platt. Es lohnt sich aber, darüber nachzudenken:
"Sei ein bisschen freundlicher als notwendig."
Auch Abwandeln (... ein bisschen engagierter... ein bisschen großzügiger...) und Ausprobieren sind erlaubt;-) !

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