Mittwoch, 9. Juli 2014

Autonomie: Von Kind, Mama und der Schere


Bastelstation bei einem Kinderfest: Ein 4-5 jähriger Bub, nennen wir ihn Markus, versucht, seine Bastelarbeit, die er mühsam und sorgfältig angemalt hat, auszuschneiden. Das fällt ihm schwer. Die Mutter steht dabei und tratscht mit einer Freundin.
Markus zur Mutter: „Mama, ich kann das nicht!“
Mama: „Du kannst das so machen, wie du willst.“
Markus: „Aber das geht nicht.“
Mama: „Du kannst es auch so lassen, wie es ist. Du musst es nicht ausschneiden.“
Resigniert werkt Markus weiter mit der Schere an seiner Bastelarbeit und schneidet halt so gut er kann. An seinem Gesichtsausdruck ist aber zu sehen, dass er nicht zufrieden ist mit dem Ergebnis.
Letztendlich hält er seiner Mutter die fertige Bastelarbeit unter die Nase, die wirft einen raschen Blick drauf und kommentiert: „Ja, das hast du aber toll gemacht.“ Markus hat schon längst das Interesse dran verloren.

Natürlich sollen Eltern ihre Kinder ermutigen, selbst zu versuchen, mit den Anforderungen zurecht zu kommen und sie selbstständig zu bewältigen. Doch die Fähigkeiten (kleiner) Kinder haben Grenzen. Und wenn die Kinder an diese Grenzen stoßen, sind die Erwachsenen gefragt. Es nützt wenig, von einem Kind etwas zu verlangen, was es nicht kann – in diesem Fall, mit der Schere exakt auszuschneiden. Das erzeugt nur Frust beim Kind.
Im konkreten Fall wäre es aus meiner Sicht sinnvoller gewesen, mal zu schauen, was das Kind eigentlich meint – auch wenn die Mutter dazu ihr Gespräch kurz unterbrechen hätte müssen. Dann hätte die Mutter nämlich gesehen, dass sich Markus eh schon bemüht hat, dass er aber an seine Grenze gekommen war. Hier hätte die Mutter dann fragen können: „Du magst das exakt ausschneiden, aber es gelingt dir nicht so wie, du es möchtest. Soll ich dir helfen?“
Obwohl Markus die Bastelarbeit nicht ganz allein „geschafft“ hätte, wäre es im Endeffekt befriedigender verlaufen: Er hätte nämlich eine Arbeit, die seinen Erwartungen entspricht und könnte drauf stolz sein. Außerdem hätte er erfahren, dass seine Mutter ihm hilft, wenn es nötig ist.

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