Montag, 29. September 2014

Die Abschaffung der 50-Minuten-Schulstunde


Dass eine der Reformideen unserer Unterrichtsministerin die Abschaffung der 50-Minuten-Schulstunde ist, ist schon hinlänglich bekannt. Heute war sie dazu mal wieder im Radio zu hören: „Man kann dann eine 30-Minuten und eine 70-Minuten-Stunde machen, das entspricht dann wieder zwei 50-Minuten-Stunden.“

Was das Rechnerische betrifft, ist das richtig.

Was die Schulorganisation betrifft, ist das ein Wahnsinn.

Denn dass es in Österreich – und meines Wissens in den meisten europäischen Ländern – 50-Minuten-Schulstunden gibt, hat vor allem organisatorische Gründe. Nur so können LehrerInnen von einer Klasse zur nächsten „wandern“ und in mehreren Klassen und Schulstufen unterrichten.

Ohne genormte Schulstunde stelle ich mir das äußerst schwierig vor.

Was den Nutzen für die SchülerInnen betrifft, gehen alle davon aus, dass die Qualität durch die Abschaffung der 50-Minuten-Stunde automatisch besser wird.

Das kann ich nicht nachvollziehen. Denn wenn ein Lehrer/ eine Lehrerin schlechten Unterricht macht, wird die Qualität auch nicht besser, wenn man den Unterricht in andere Zeitabschnitte einteilt. Er bleibt schlicht und einfach schlecht, egal ob in 30-, 50- oder 70-Minuten-Stunden.

Und guter Unterricht bleibt tendenziell gut – obwohl ich mir nicht vorstellen kann, wie man in 30 Minuten Lernstoff sinnvoll vermitteln soll (wenn es schon mal 10 Minuten dauert, bis alle Kinder leise sind und die Schulsachen bereit liegen...).

Außerdem bin ich überzeugt, dass sich die Begeisterung mancher Schülerinnen über 70 Minuten Mathematik/ Physik/ Chemie... in Grenzen halten wird.



Man will uns wohl weismachen, dass die Abschaffung der 50-Minuten-Stunde mehr Flexibilität in den Schulalltag bringt. Flexibilität wäre super – in dem Sinn, dass in einer Woche Geographie und Latein zusammengelegt werden und das Römische Weltreich behandelt wird. Oder in einer anderen Woche Deutsch und Zeichnen – Thema: Werbung. Oder Englisch und Musik – Liedtexte aktueller Hits... Hier gäbe es unzählige Möglichkeiten, die aber meist an der praktischen Organisation scheitern. (An manchen tollen Schulen funktioniert es punktuell.)

Sinnvoll wäre auch, wenn z.B. der Mathelehrer fallweise 70 Minuten Zeit hätte – um neuen Stoff einzuführen, oder vor der Schularbeit den Stoff zu wiederholen.

Doch es bringt nichts, wenn der Mathe – oder Englisch-Unterricht immer in 70-Minuten-Einheiten stattfindet.



Ich persönlich kann der Idee nichts abgewinnen – und ich kann mir nicht vorstellen, wie unsere Ministerin das durchsetzen will.



PS: Am Gymnasium meiner Tochter gibt es (wie wahrscheinlich in vielen anderen Gymnasien auch) LehrerInnen, die in mehreren Schulen unterrichten. Wie soll das denn funktionieren, wenn in Schule A die erste Stunde 30 Minuten und in Schule B 70 Minuten dauert?

PPS: Aus dem gleichen Interview stammt auch folgender schöne Satz unserer Ministerin (zum Thema Gesamtschule): „Aufgeben tut man einen Brief.“

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