Samstag, 14. Juni 2014

Begabte lernen gerne

„Begabte lernen gerne“ - so der Titel eines Artikels in der NÖN zur Begabtenförderung. Aus meiner Sicht ist das nicht nur ziemlich platt sondern falsch. Oder zumindest verkürzt dargestellt.


Natürlich gibt es viele Kinder, die freiwillig lernen. Ob die aber wirklich alle besonders begabt sind? Nicht unbedingt, denn auch der Wunsch, den Eltern und LehrerInnen zu gefallen oder die Angst, zu versagen, können zum Lernen motivieren. Außerdem sollte man „eifriger Schüler“ nicht automatisch mit „hochbegabtem Schüler“ gleichsetzen.


Eigentlich möchten – zu Beginn der ersten Klasse – (fast) alle Kinder lernen, das dürfte nämlich irgendwie im Menschen „vorprogrammiert“ sein. Leider verlieren aber viele Kinder im Laufe ihrer Schulzeit die Freude am Lernen. Ob das aber nur die „normal begabten“ Kinder trifft? Sicher nicht, im Gegenteil. Wenn man genau hinschaut, findet man nämlich gerade für die besonders begabten Kinder zahlreiche Hindernisse:


- Da sie den Lernstoff rascher verstehen, langweilen sich viele von ihnen in der Schule.

- Viele begabte Kinder haben ein Gebiet, das sie besonders interessiert – leider haben diese Spezialinteressen in der Schule so gut wie nie Platz. Wenn sie zeigen wollen, was sie wissen, ecken sie manchmal bei Lehrern und meistens bei den Mitschülern an.

- Hochbegabte SchülerInnen denken gerne, und manche sind recht kritisch. Das kommt bei Lehrern nicht immer gut an.

- Die Aufgaben, die sie für die Schule erledigen müssen, sind oft keine besondere Herausforderung – und daher wird durch den „Erfolg“ das Selbstbewusstsein nicht gestärkt, es ist nur öde Routine, keine Bestätigung des eigenen Könnens. Wer ist schon stolz, wenn er etwas schafft, wofür er sich nicht mal anstrengen musste?

- Manche begabten Kinder sind auch in ihrer sozialen Entwicklung schneller und leiden dann unter dem „kindischen“ Verhalten ihrer Mitschüler. Auch ihr Wortschatz, ihr Gerechtigkeitssinn und ihre Interessen unterscheiden sich in manchen Fällen von denen der Mitschüler, was zu Konflikten führen kann.



Wenn man sich diese „Hindernisse“ vor Augen hält, wird klar, dass sicher nicht alle begabten Kinder begeisterte Schulkinder sind, die mit Freude lernen! Und nur wenige von ihnen werden es so formulieren, wie sich das der Autor in der NÖN vorstellt: „Mama, mir ist ein bisschen fad, kann ich nicht in den Ferien noch was lernen?“ 


Viele begabte Kinder freuen sich aber über spannende Angebote, bei denen sie ihre Fähigkeiten und ihr „Köpfchen“ einsetzen können - und vielleicht endlich eine intellektuelle Herausforderung erleben.


So sollte man es aus meiner Sicht besser formulieren: „Begabte denken gerne“.

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