„Begabte lernen
gerne“ - so der Titel eines Artikels in der NÖN zur
Begabtenförderung. Aus meiner Sicht ist das nicht nur ziemlich platt
sondern falsch. Oder zumindest verkürzt dargestellt.
Natürlich gibt es
viele Kinder, die freiwillig lernen. Ob die aber wirklich alle
besonders begabt sind? Nicht unbedingt, denn auch der Wunsch, den
Eltern und LehrerInnen zu gefallen oder die Angst, zu versagen,
können zum Lernen motivieren. Außerdem sollte man „eifriger
Schüler“ nicht automatisch mit „hochbegabtem Schüler“
gleichsetzen.
Eigentlich
möchten – zu Beginn der ersten Klasse – (fast) alle Kinder
lernen, das dürfte nämlich irgendwie im Menschen „vorprogrammiert“
sein. Leider verlieren aber viele Kinder im Laufe ihrer Schulzeit die
Freude am Lernen. Ob das aber nur die „normal begabten“ Kinder
trifft? Sicher nicht, im Gegenteil. Wenn man genau hinschaut, findet
man nämlich gerade für die besonders begabten Kinder zahlreiche
Hindernisse:
- Da sie den
Lernstoff rascher verstehen, langweilen sich viele von ihnen in der
Schule.
- Viele begabte
Kinder haben ein Gebiet, das sie besonders interessiert – leider
haben diese Spezialinteressen in der Schule so gut wie nie Platz.
Wenn sie zeigen wollen, was sie wissen, ecken sie manchmal bei
Lehrern und meistens bei den Mitschülern an.
- Hochbegabte
SchülerInnen denken gerne, und manche sind recht kritisch. Das kommt
bei Lehrern nicht immer gut an.
- Die Aufgaben, die
sie für die Schule erledigen müssen, sind oft keine besondere
Herausforderung – und daher wird durch den „Erfolg“ das
Selbstbewusstsein nicht gestärkt, es ist nur öde Routine, keine
Bestätigung des eigenen Könnens. Wer ist schon stolz, wenn er etwas
schafft, wofür er sich nicht mal anstrengen musste?
- Manche begabten
Kinder sind auch in ihrer sozialen Entwicklung schneller und leiden
dann unter dem „kindischen“ Verhalten ihrer Mitschüler. Auch
ihr Wortschatz, ihr Gerechtigkeitssinn und ihre Interessen
unterscheiden sich in manchen Fällen von denen der Mitschüler, was
zu Konflikten führen kann.
Wenn man sich diese
„Hindernisse“ vor Augen hält, wird klar, dass sicher nicht alle
begabten Kinder begeisterte Schulkinder sind, die mit Freude lernen!
Und nur wenige von ihnen werden es so formulieren, wie sich das der
Autor in der NÖN vorstellt: „Mama, mir ist ein bisschen fad, kann
ich nicht in den Ferien noch was lernen?“
Viele begabte Kinder
freuen sich aber über spannende Angebote, bei denen sie ihre
Fähigkeiten und ihr „Köpfchen“ einsetzen können - und
vielleicht endlich eine intellektuelle Herausforderung erleben.
So sollte man es aus
meiner Sicht besser formulieren: „Begabte denken gerne“.